Ellorans Traum
und näherte sich den Soldatinnen. Ich sah mit Erstaunen, wie er sie herzlich begrüßte und wie ein alter Bekannter von ihnen empfangen wurde.
»Sie werden im Burgfried untergebracht, wenn dir das recht ist«, sagte Ellemir. Dann lächelte sie gezwungen und setzte gespielt munter hinzu: »Hallo, Mutter.«
»Na, das nenne ich mal eine herzliche Begrüßung!« knurrte die Frau – meine Großmutter – und musterte mich gründlich von oben bis unten. »Du mußt mein Enkel Elloran sein.« Ohne mich aus den Augen zu lassen, wandte sie sich zu Ellemir: »Na, wenigstens hast du dafür gesorgt, daß er deinem hohlköpfigen Ehemann nicht ähnlich sieht!«
»Mutter!« Ellemir schnappte empört nach Luft, und ich kämpfte darum, nicht zu lachen. Meine Großmutter entließ mich nicht aus ihrem Blick, aber jetzt lockerte sich ihre strenge Miene zu einem breiten, warmen Lächeln. Sie reichte mir die Hand, und ich ergriff sie, um herzhaft ihren festen Druck zu erwidern. Die Herrin von Kerel Nor war ganz und gar nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte, aber ich war nicht im mindesten enttäuscht.
Großmutter Veelora legte einen Arm um meine Schulter, als wir gemeinsam zum Palas hinübergingen. Ich konnte eine Nase voll von ihrem unverwechselbaren Duft erschnuppern: eine Mischung aus Leder, Pferden, Schweiß und exotischen Gewürzen. Sie roch noch nicht einmal wie eine Frau! Es war unglaublich, daß ein solches Wesen eine Tochter wie Ellemir besaß. Ich konnte mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen, wie diese beiden Frauen miteinander auskommen würden.
Die alte Malima flatterte inzwischen aufgeregt durch den Palas, um für eine angemessene Unterbringung der domna Veelora zu sorgen und machte mit ihren hektischen Anweisungen die gesamte Dienerschaft verrückt. Ich saß mit Großmutter, die die ganze Aufregung gelassen übersah, mitten im Gewühl der Kammerjungfern und Dienstmädchen und ließ mich von ihr ausfragen. Bald hatte ich ihr gegenüber jedes Gefühl von Fremdheit verloren und schwatzte mit ihr wie mit einer alten Freundin. Sie lachte nur, als ich ihr meine schändliche Unfähigkeit im Umgang mit dem Schwert beichtete.
»Das scheinst du von deiner Mutter geerbt zu haben. Ellemir ist in dieser Beziehung auch völlig aus der Art geschlagen. Wahrscheinlich zeigst du mehr Geschick mit allem, was sich werfen oder schießen läßt, richtig?«
Ich staunte. Abgesehen davon, daß es stimmte, war ich völlig überrumpelt von der Vorstellung, meine Mutter könnte irgendwann einmal eine Waffe in ihrer zarten Hand geführt haben. Veelora sah meine Verwirrung und stöhnte.
»In was für einer Umgebung muß mein Enkelkind aufwachsen! Hier sind Frauen nur für Haushalt und Kinderaufzucht gut, oder? Natürlich hat deine Mutter gelernt zu kämpfen! Sie ist schließlich eine Tochter von Kerel Nor!« Sie lachte über mein überraschtes Gesicht und fuhr mir durch die Haare. »Es wird wirklich Zeit, daß du hier mal rauskommst. Wie alt bist du eigentlich?«
»Vierzehn, Großmutter.«
»Möchtest du mich für eine Weile besuchen, Elloran? Du bist mir willkommen, und ich denke, deine Tante und deine Kusinen würden sich auch freuen, dich endlich kennenzulernen.«
Ich schnappte entzückt nach Luft. Fort von Salvok, und dann gleich so weit weg, bis nach L'xhan! Sicher würde ich auch die Kronenburg zu sehen bekommen, die Hauptstadt des Reiches. Doch Ellemir machte mir einen Strich durch diese Rechnung. Sie befand mich für zu jung, um eine solche Reise zu unternehmen und beschuldigte ihre Mutter, mir Flausen in den Kopf zu setzen.
Nikal unterbrach die Auseinandersetzung. Er überbrachte meiner Großmutter die Meldung, daß ihre Frauen untergebracht seien. Die beiden begrüßten sich ungemein herzlich.
»Was macht dein Freund, dieser nette junge Soldat aus Norrbrigge? Wie hieß er noch ...?« fragte Großmutter.
Nikal räusperte sich unbehaglich. »Sanders war sein Name, domna Veelora. Er ist vor Jahren schon in unsere Heimat zurückgekehrt, es gefiel ihm hier im Süden nicht.«
Veelora beäugte ihn neugierig. Seine Verlegenheit entging ihr genausowenig wie mir. »Und, hast du jemand anderes?«
»Nicht ganz«, antwortete er ausweichend.
Großmutter betrachtete die Schweißperlen auf seiner Stirn und hatte endlich Erbarmen mit ihm. Sie legte einlenkend eine Hand auf seinen Arm und lächelte ihn gewinnend an. »Entschuldige, Hauptmann. Ich vergesse immer wieder, wie seltsam die Raulikaner in dieser Hinsicht denken. Aber ich
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