Elsas Küche: Roman (German Edition)
sagte der Fleischdozent. »Ganz meiner Meinung. Ihr Entschluss ist vielleicht etwas voreilig. Mit diesem Mann ist nicht zu spaßen.«
Elsa schüttelte den Kopf und winkte ab.
»Ich hab keine Angst«, sagte sie. Sie deutete auf verschiedene Artikel, die gerahmt an der Wand hingen. »Man hat bereits über uns geschrieben.«
»Meine Liebe«, sagte der Soßendozent und sah sich die Artikel an. Deren Bedeutung wollte er nicht herunterspielen, er wusste aber auch, was ihre Bitte bedeutete, und überlegte daher einen Augenblick. »Das mag ja sein, aber es geht hier nicht um die Lokalzeitung, auch nicht um inländische Zeitschriften. Sie wollen eine gute Kritik und die Sillberne Suppenkelle . Aber eines muss ich leider betonen – wir haben es mit Franzosen zu tun. Es geht um Le Gourmand ! Was die Haute Cuisine anbelangt, haben sie das letzte Wort. Damit meine ich nicht, dass Sie sich Illusionen machen, aber Sie sollten Ihre Begeisterung ein klein wenig zügeln. Auch wenn Ihr Restaurant schön und Ihr Essen sehr schmackhaft ist, wollen Sie sich doch nicht in eine peinliche Lage bringen.«
Der Fleischdozent nickte ernst und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. Er drehte sie zusammen und ließ sie dann geistesabwesend auf den Boden fallen, statt sie zurück auf seinen Schoß zu legen. Elsa beobachtete ihn dabei. Sie bemerkte drei Flecke, die ein Kleeblattmuster bildeten. Sie dachte daran, wie sie ihre Teller hinterlassen hatten – säuberlich leer gegessen. Das war das Entscheidende, befand sie. Das war die Herausforderung, die sie gesucht hatte und die sie aus ihrer Apathie holen würde. Zweitklassigkeit war nichts für sie.
»Meine Herren«, sagte sie. »Ich hatte nie Angst, den Kopf hinzuhalten. Ich bin sicher, dass ich den Magen dieses Mannes überzeugen kann. Doch dafür brauche ich Ihre Hilfe.«
Der Soßendozent schüttelte den Kopf, doch der Fleischdozent schlug, sei es aufgrund seines Metiers, weil er mitHackmessern und Spießen umging, an offenen Feuergruben kochte und daran gewöhnt war, dass alles nach seinem Kopf ging, jedenfalls schlug er mit der Hand auf den Tisch, als sei er das Hinterteil eines geschlachteten Kalbs.
»Ich helfe Ihnen«, sagte er. »Wir sehen zu, dass wir ihn kontaktieren können.«
Der Soßendozent rollte die Augen.
IV
S eit dem Besuch von Elsas Lehrern waren mehrere Wochen vergangen, in denen ihr Streit mit dem Küchenchef über Schweinefleisch in Lake und Heiratsanträge sich in etwas völlig anderes verwandelt hatte. Beiden war klar, dass ihre Liebesaffäre zu Ende war. Elsa stapelte seine restlichen Sachen im vorderen Zimmer auf, wo sie liegen blieben, weil er nicht mehr zu ihr kam. Keiner erwähnte je die Streitereien, und genau genommen sprachen sie überhaupt nicht mehr miteinander oder nur, wenn es nicht anders ging.
Doch anfangs, nach der Trennung, wachte Elsa nachts auf, wenn sie im Traum auf der Flucht war. Dann streckte sie die Hand nach der leeren Seite des Bettes aus und fühlte sich einsam. Sie hätte ihn gerne angerufen, doch etwas in ihr sträubte sich dagegen. Im Grunde habe sie keine echte Beziehung zu ihm, sagte sie sich, und wollte ihn nicht heiraten. Auch wenn es hart war, musste sie sich eingestehen, dass er mehr ein Zeitvertreib für sie gewesen war, eine schlechte Angewohnheit. Sie hielt es für besser, sich jeglichen Gedanken an ihn abzugewöhnen. Sie musste sich verhalten wie ein Raucher gegenüber einem Päckchen Zigaretten.
Sie erinnerte sich, wie viel Kraft es sie gekostet hatte, mit dem Rauchen aufzuhören, und bereitete sich auf ihren Spaziergängenmental darauf vor, den Küchenchef nur noch im Restaurant zu sehen. Schon nach einer Weile stellte sich heraus, dass sie ihn kein bisschen vermisste. Wie seltsam, dachte sie. Wie seltsam, dass sie fast drei Jahre zusammen gewesen waren, und dass sie ihm jetzt keine Träne nachweinte und sich nie fragte, wie es ihm ging. Auch sie selbst fühlte sich kein bisschen anders.
Die neue Abmachung gefiel Elsa. Sie genoss ihre Freiheit und war froh, dass der Küchenchef im Restaurant blieb und weiterarbeitete. Alles wäre perfekt gewesen, wäre der Küchenchef nicht so unglücklich gewesen. Mit jedem Tag wurde er mürrischer und schmollte ein bisschen mehr. Bei der Arbeit in der Küche grinste er sie spöttisch an, sodass alle es sahen. Wenn sie mit ihm sprach, sah er zur Decke hoch. Noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, kehrte er ihr den Rücken zu. Zwar erledigte er in der Küche sein Tagwerk und kochte
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