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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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zu fassen, und der Kritiker stand auf, klopfte sich die Hose ab und machte eine italienische Gebärde gegen den Küchenchef. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging weg, während der Küchenchef noch mehr Flüche gegen ihn ausstieß. Und dann veröffentlichte er noch eine Kritik! Es war beispiellos, und die neue Kritik fiel noch vernichtender aus als die erste. All das ereignete sich, bevor der Michelin in Druck ging. Die Sache wurde untersucht, und derweil wurde der Stern natürlich entfernt. Man druckte den Führer ohne den Stern und schrieb in einer Anmerkung, dass die Kritik bald erscheine. Für die Familie des Küchenchefs war dies sehr peinlich. Der junge Küchenchef, der über das Urteil nicht hinwegkam, aber auch nicht sah, was er dagegen ausrichten konnte, igelte sich in seiner Küche ein, drehte den Gashahn auf und steckte den Kopf in den Ofen.«
    »Ts, ts, ts«, machte der Fleischdozent. »So ein Rüpel.«
    »Jammerschade«, sagte der Soßendozent nickend. »Der Cheflektor kam zu dem Schluss, dass die Foie gras aus echter Gänseleber bestand! Die Gänse kamen von der bretonischen Farm seiner Familie.«
    Elsa dachte darüber nach. Sie betrachtete das borstige Haar im Gesicht des Italieners. Sie dachte an die Sillberne Suppenkelle und tat ihre Angst achselzuckend ab.
    »Wie konnte er ungestraft davonkommen?«, wollte sie wissen.
    »Tja, seine Verteidigung war, er habe lediglich geschrieben, die Gänsestopfleber ›schmecke‹ wie Thunfisch. Wenn der junge Mann darauf so unangemessen reagiere, sei das nicht seine Schuld.«
    Elsa legte die Zeitschrift weg, behielt aber Gesicht und Serviette des Kritikers im Auge. Ein Bauer , dachte sie entschieden. Nicht der Typ für Foie gras und Schnecken. Eher einer, der Schweinebraten isst. Ist wahrscheinlich mit Kutteln aufgewachsen. Elsa war sich ziemlich sicher, dass ihm ihre Schweinelende schmecken würde. Ganz sicher sogar.
    Sie verlor sich einen Moment lang in dem Foto. Gerade wollte sie sie fragen – warum, wusste sie selbst nicht –, ob sie wüssten, ob der Kritiker verheiratet war, als plötzlich an die Scheibe geklopft wurde. Alle blickten auf. Elsa verscheuchte die Kinder mit einer Handbewegung und schüttelte den Kopf über sie.
    »Tut mir leid. Beachten Sie sie gar nicht«, sagte sie entschuldigend zu ihren Gästen. »Sie verschwinden gleich.«
    »Zigeuner«, sagte der Soßendozent. »Die sind überall.«
    Elsa gab den Kellnern einen Wink, und der Oberkellner ging hinaus auf die Straße und versuchte, die Kinder fortzujagen. Als er auf sie zukam, schnitten sie Grimassen und rannten um ihn herum. Sie machten ein Spiel daraus und klopften hinter seinem Rücken an die Scheibe. Sie lachten und streckten Elsa und ihren Gästen die Zunge heraus.
    »Warum benehmt ihr euch heute so schlecht?«, sagte Elsa streng, doch sie lächelte auch und drohte mit dem Finger. »Verschwindet augenblicklich, sonst verjag ich euch mit dem Besen, sodass es euch leidtut!«
    Dieselben drei Jungen, die sie im Haus des Blumenmädchens gesehen hatte, zeigten auf sie und zogen Grimassen.Sie hörten auf, im Kreis herumzurennen, und pressten die Gesichter ans Fenster.
    »Hallo, Restaurantmadam«, rief das Jüngste. »Gibst du uns heute Geld? Gib uns was zu essen!«
    »Jetzt nicht«, sagte sie. »Kommt später wieder.«
    Der Oberkellner schubste sie jetzt unsanft weg. Um von ihm bemerkt zu werden, klopfte Elsa an die Scheibe und schüttelte den Kopf hin und her. Die Jungen traten vom Fenster zurück und fingen an, Flüche gegen ihn auszustoßen. Elsa klopfte wieder an die Scheibe, und auch ihr galten jetzt die Flüche. Dann hörten sie plötzlich auf und drehten sich um. Ins Gespräch vertieft, gingen sie fort, als seien sie nie da gewesen. Der Oberkellner blickte achselzuckend durchs Fenster. Elsa und ihre Gäste sahen, wie eins von den Kindern eine Zigarettenkippe aufhob, dann ein Streichholz aus der Tasche seiner abgetragenen Shorts holte und den Stummel anzündete. Die Jungen rauchten ihn abwechselnd, während sie in Richtung Stadtzentrum davongingen.
    Elsa wandte sich entschuldigend an ihre Lehrer. Sie deutete auf die Zeitschrift.
    »Ich möchte diesen Mann hierherholen. Er soll eine Kritik über die Tulpe schreiben«, sagte sie. »Helfen Sie mir dabei?«
    Die beiden Lehrer sahen sich an und zögerten.
    »Meine Liebe«, sagte der Soßendozent. »Wollen Sie sich das nicht noch einmal überlegen? Eine solche Einladung gereicht möglicherweise nicht zu Ihrem Vorteil.«
    »Richtig«,

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