Elsas Küche: Roman (German Edition)
zwar sofort!« Alle in der Küche verstummten, und Dora ging an ihren Platz zurück. Dass der junge Mann sich plötzlich für Dora interessierte,empfand Elsa unweigerlich als Verrat. Sie musste das Gesicht verziehen, wenn sie sah, wie er die Küche durchquerte, um Dora seine Hilfe anzubieten – beim Sahneschlagen und anderen Vorbereitungen, oder indem er ihr den Teig von ihrem niedlichen Näschen wischte. Elsa verzog das Gesicht sehr oft und kam deshalb nicht zu viel anderem, aber sie hielt den Mund, um ihre Eifersucht nicht zu zeigen. Sie blieb in ihrem Büro, streckte jedoch, sooft sie konnte, den Kopf aus der Tür, um Befehle zu brüllen und aufkeimenden Liebesgefühlen einen Dämpfer zu versetzen – ganz gleich, wie erschöpfend es war, die beiden voneinander zu trennen, während ihre unteren Regionen sich magnetisch anzogen.
Bei der Erreichung ihrer eigenen Ziele half dies Elsa natürlich in keiner Weise. Weil sie immer auf ihre jungen brünstigen Chefköche achten musste, konnte sie ihren Telefonaten nicht richtig nachgehen. Ihr Lebensüberdruss, den das neue Unterfangen zum Schweigen gebracht hatte, meldete sich wieder. Was sie sich vorgenommen hatte, war ihr entglitten, und je weniger sie damit befasst war, den Kritiker zu finden, und je mehr sie die jungen Leute zu separieren trachtete, desto deprimierter wurde sie. Auf einmal war ihr alles egal. Sie schminkte sich nicht mehr und hörte irgendwann auf, sich zu duschen.
Ein weiterer Monat verging, und acht Wochen nach ihrem vermeintlichen Neubeginn lud sie eines Abends um ihres Seelenfriedens willen den Küchenchef nach Restaurantschluss zu sich auf einen Drink nach Hause ein. Sie sprach die Einladung vor aller Ohren aus, vor den Köchen, dem Tellerwäscher und vor Dora.
»Wir müssen uns über die Küche unterhalten«, sagte sie kryptisch.
Die Köche wurden unruhig. Der Küchenchef sah Elsa an und in einem unbeobachteten Augenblick achselzuckend Dora. Die junge Frau warf ihm einen finsteren Blick zu und drehte sich weg.
Elsa war mit sich und dem, was sie ausgelöst hatte, zufrieden. Sie wollte ihn nicht zurückhaben, sondern nur Frieden schließen. Wenn sie ihn erst einmal in ihrer Wohnung hatte, ihm ein, zwei Drinks eingeflößt, eine Zigarette mit ihm geraucht und ein bisschen mit ihm geplaudert hatte, würde er vielleicht auftauen. Schon seit über einem Monat hatten sie sich nicht mehr unterhalten. Er war einverstanden, und als das Restaurant geschlossen war und sie alle nach Hause geschickt hatten, liefen sie verlegen nebeneinander her, bis sie vor ihrem Haus standen. Wie früher folgte der Küchenchef ihr ins Foyer des Gebäudes, und Elsa war an diesem Abend sogar für Zärtlichkeiten aufgeschlossen, die ihr zunehmend schwieriger werdendes Verhältnis vielleicht zu kitten imstande wären. Doch statt ihr wie früher den Rücken zu streicheln oder sie an der Schulter zu berühren, ließ er die Arme hängen und blickte angewidert in der Diele umher.
»Mir ist nie aufgefallen, wie alt und schäbig das Haus ist«, sagte er. »Warum hat man nur die Fassade ausgebessert?«
Verblüfft blickte Elsa sich um. »Ach ja?«
»Siehst du das nicht?« Er deutete auf eine Ecke, in der sich jahrelang Schmutz und Ruß angesammelt hatten. »Deprimierend. Ich hab mir gerade eine von den Neubauwohnungen neben dem Einkaufszentrum angesehen, die noch nicht fertig sind. Sehr modern, mit amerikanischer Küche und strahlenden Fußböden.«
»Willst du dir eine Wohnung kaufen?«, fragte Elsa.Sie war überrascht. Er hatte ihr oft erzählt, dass das sein Traum sei.
»Ich habe meine Mutter endlich überredet, den Schrebergarten zu verkaufen. Sie ist zu alt dafür, und keiner benutzt ihn – weder meine Schwester noch ich. Den Erlös teilen wir uns. Außerdem hat mein Vater etwas Geld hinterlassen. Wenn ich meinen alten Wagen verkaufe und ein Darlehen aufnehme, reicht es für die Wohnung ... und für ein paar andere Dinge.«
»Schön«, sagte Elsa und konnte sich ihr Unbehagen nicht erklären. Möglicherweise hatte es mit dem beachtlichen Selbstbewusstsein zu tun, das aus seinen Plänen sprach. Es klang, als brächte er plötzlich etwas zustande. Elsa fragte sich, wie er innerhalb eines Monats so sehr gereift sein konnte. Hatte sie ihn womöglich unterdrückt? Ihr Magen rumorte. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn zum Aufzug, der nach seinem letzten Besuch erneuert worden war.
»Ich zeig dir jetzt was Modernes«, sagte sie. »Was nach deinem Geschmack.«
Die
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