Elsas Küche: Roman (German Edition)
sah aus, als fürchte sie sich. Vor der Polizei. Gequält, schmutzig und verängstigt. Außerdem hatte sie eine Fahne und machte, wie er fand, den Eindruck, als wäre sie überall auf der Welt lieber gewesen als ausgerechnet in diesem Laden und diesem Viertel. Er spürte instinktiv, dass sie ein leichtes Opfer sein würde. Er war sicher, dass er das Geld aus ihr herauspressen konnte.
»Sehen Sie«, sagte er, »dieses Pack kommt dauernd hierher und will Geld. Die Männer machen manchmal im Zoo die Käfige sauber, und die Frauen gehen überall im Viertel herum und geben schlechte Ratschläge, die sie sich bezahlen lassen – bis auf das Blumenmädchen. Mein Geld seh ich frühestens in ein paar Monaten wieder. Wie wär’s,wenn Sie ihnen einen Freundschaftsdienst erweisen und ihre Schulden bezahlen? 8000 Forint. Ich streich den Betrag aus dem Kassenbuch, und damit tun Sie ihnen einen großen Gefallen, glauben Sie mir. Dann brauchen Sie nicht länger hier zu warten. Ich streich die Schulden und sag ihnen, dass Sie sie bezahlt haben.«
Elsa sah den Ladenbesitzer an und dann den anderen Mann. Er nickte ihr zu, als sei das ein gutes Geschäft für sie. Elsa überlegte.
»Wofür schulden sie Ihnen das Geld?«, fragte sie. Sie sah sich im Laden um. Auf den Regalen neben ihr lagen ein paar Sachen, jedoch nichts, was eine große Familie hätte ernähren können.
»Lebensmittel«, sagte der Ladenbesitzer. »Lebensmittel und Bargeld, wenn sie knapp waren und die Miete bezahlen mussten. Das haben sie sich so angewöhnt. Hören Sie, diese Leute sind kein Umgang für Sie, ganz im Ernst. Selbst ich wünsch mir oft, ich hätte sie nie zu Gesicht gekriegt. Sie gehören zu denen, die die Zigeuner in Verruf bringen. Immer grapschen sie nur. Sie sind doch eine nette Frau. Mit denen wollen Sie doch nicht verkehren. Bezahlen Sie ihre Schulden, damit tun Sie uns allen einen Gefallen.«
Elsa zögerte. Gerade noch rechtzeitig drehte sie den Kopf und sah das Blumenmädchen aus dem Häuschen kommen.
»Oh!«, rief Elsa, »da ist sie ja! Ich klär das kurz.«
Sie wollte gerade hinausgehen, als der Ladenbesitzer wie ein Olympiasieger an ihr vorbei durch die Tür sprintete. Nach Angela schreiend, rannte er zu ihr über die Straße. Angela, die ihn gehört hatte und kommen sah, lief schneller, um ihm zu entrinnen. Der Ladenbesitzer holte sie schnell ein und trieb sie zu einem geparkten Wagen.Er schnitt ihr brüsk den Weg ab, sodass sie zwischen ihm und dem Wagen gefangen war. Er sprach heftig auf sie ein, und einen Augenblick sah es sogar so aus, als würde er sie gleich schlagen. Elsa eilte laut rufend hinter ihm her. Angela sah dem Ladenbesitzer herausfordernd in die Augen. Der Ladenbesitzer wich ein Stückchen zurück, hob aber drohend den Zeigefinger.
»Sie hat gesagt, sie bezahlt eure Schulden!«, schrie er. »Ich sag, soll sie zahlen. Was meinst du? Ich sag, sie soll das Geld mir geben.«
Der Ladenbesitzer sah Elsa an. »Bezahlen Sie die ganzen 8000 Forint?«
»Ich geb Ihnen 10 000«, sagte sie, »für Lebensmittel für die Kinder für nächste Woche.«
Der Ladenbesitzer sah Angela an. Angela hob eine Augenbraue.
»Ich glaube, ich nehm das Geld mit zu mir«, sagte sie. »Und wir kommen dann später vorbei und zahlen unsere Schulden.«
»Das ist mir auch recht«, sagte Elsa. »Eigentlich ist es mir sogar lieber. Ich geb’s lieber Ihnen.«
»Pah«, sagte der Ladenbesitzer und baute sich zwischen ihnen auf. »Sie spinnen ja beide. Sie kann das Geld doch einfach mir geben. Ich hab euch das Geld lang genug gestundet.«
Elsa versuchte, Angelas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und reckte den Kopf mehrmals hinter dem Ladenbesitzer in die Höhe. »Wie geht’s dem kleinen Pisti?«, fragte sie. »Ist das Ihr Bruder? Geht’s ihm gut? Wie heißen Sie? Es tut mir leid, dass ich Sie nie danach gefragt habe. Es war ein schlimmer Unfall.«
»Hören Sie«, sagte der Ladenbesitzer jetzt zu Angela.»Ich weiß nicht, wer diese Dame ist, aber du sagst deinen Schwestern und ihren Kerlen, dass ich mein Geld will. Ihr müsst eure Schulden so oder so zurückzahlen. Also könnt ihr sie jetzt gleich für euch zahlen lassen.«
»Wir geben Ihnen ja das Geld«, sagte Angela mit spöttischem Lächeln und versuchte, ihn wegzuschubsen. »Sobald ich es von ihr habe und mit meinen Schwestern gesprochen habe. Sie sind im Moment nicht zu Hause.«
Elsa drängte sich zwischen sie und legte jedem von ihnen eine Hand auf die Schulter. Sie versuchte, sie
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