Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
verabreichen. Der Gefangene befand sich nicht bei vollem Bewusstsein und Robin wusste nicht, ob dies daher rührte, dass sein Herr bereits für die erste Injektion gesorgt hatte oder ob Robert irgendetwas anderes wiederfahren war. Als die Sache mit dem vielen Blut geschah, war Robin gerade fort gewesen, um Nahrungsvorräte zu besorgen. Er vermutete, dass sein Meister ihn vor dem Anblick einer unerfreulichen Szene hatte bewahren wollen, als er ihn fortschickte.
Diese erste Aufgabe gestaltete sich alles andere als angenehm und Robin hoffte sehr, dass er sich im Laufe der täglichen Routine an seine neue Arbeit gewöhnen würde. Robert lag noch immer auf dem Rücken, als er sich ihm näherte. Robin kniete sich neben dem Gefangenen auf den Boden und holte die Ampulle hervor. Er stieß die Nadel durch die Kleidung in den Arm. Doch statt ruhig liegen zubleiben, versuchte Robert im nächsten Moment, sich dem Eingriff zu entziehen und drehte sich so herum, dass er auf dem Arm zu liegen kam, in den Robin die Nadel gesteckt hatte. Robin konnte die Nadel in der Bewegung gerade noch herausziehen.
"Tut mir leid", entschuldigte er sich. "Es muss leider so sein."
Er hatte sich gerade umgewandt und wollte den Raum für eine Weile verlassen, um der Betäubung Zeit zum Wirken zu geben, als er das Auge an der dem Ofen gegenüber liegenden, kahlen Wand erblickte. Ein Schauer durchfuhr ihn bei diesem Anblick. Das überdimensionale, glotzende, lidlose Auge starrte ihn an. Nein, es konnte für normale menschliche Augen nicht sichtbar sein, dessen war sich Robin sofort gewiss. Es handelte sich um eines dieser Gespenster, die er ständig sah. Eine jener unnatürlichen Erscheinungen, die ihn damals bis in die Anstalt gebracht hatten.
Robin rief sich ins Gedächtnis, dass er keine Angst zu haben brauchte. Heute musste er diese Dinge noch tapfer ertragen, doch bald schon würde er über sie herrschen.
"Ich habe keine Angst vor dir", sagte er zu dem Auge, wandte seinen Blick davon ab und verließ den Raum.
Als er nach etwa einer halben Stunde zurückkehrte, war das Auge noch immer da. Robin erwiderte den starren Blick mit einem mindestens ebenso penetranten Starren. Dann erst fiel ihm ein, dass dies vielleicht eine Hinterlassenschaft seines Meisters sein könnte. Das Geschehen in diesem Raum aus der Ferne zu beobachten lag ganz im Interesse seines Herrn - und für Robin wäre diese Lösung des Rätsels eine große Erleichterung.
Mit leiser Stimme fragte er das Auge: "Bist du, es mein Herr?"
Er erhielt keine Antwort, doch in seinem Inneren wuchs die tröstliche Gewissheit, dass er keinesfalls so alleingelassen war, wie er befürchtete.
Er hatte seine eigene Wechselkleidung mitgebracht. Morgen wollte er Friedrich oder einem der anderen in Auftrag geben, ihm neue Kleidung zu beschaffen, doch heute war es eindeutig wichtiger, diese blutige Kleidung zu entsorgen und sie durch saubere zu ersetzen. Außerdem hatte er einen Eimer Wasser und ein Tuch dabei.
Den nun eindeutig Bewusstlosen umzukleiden entpuppte sich als schwieriger, als er sich gedacht hatte. Es wurde ein ziemlicher Kraftakt. Es war ihm erlaubt, hierzu die Handfesseln zu lösen, doch keinesfalls und unter keinen Umständen die Kapuze oder das sie fixierende Seil zu entfernen. Er entdeckte zuerst die schrecklichen Narben an den Händen des Gefangenen, dann fand er weitere alte Schnittverletzungen an beiden Oberarmen und eine zusätzliche, längliche Narbe an der linken Körperseite. Die Narben an den Armen jedoch zogen am stärksten seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie waren nicht so grob wie die an den Händen, sondern relativ fein und stammten von eher oberflächlichen Verletzungen. Und ihre Anordnung besaß eindeutig eine Systematik, so, als handele es sich um Schriftzeichen oder andere Symbole. Robin waren diese Art von Zeichen allerdings unbekannt, er konnte sie nicht deuten. Er spürte bei ihrer Betrachtung deutlich, dass etwas von ihnen ausging, das ihn äußerst negativ berührte. Plötzlich hörte er dieses Pochen, diesen Herzschlag und er wusste, dass eines der beiden Geistwesen zurückgekehrt war. Vielleicht jenes, das er vorhin noch bei Elisa gesehen hatte.
Er blickte auf und sah dieses dunkle, wirbelnde Loch, das weder seine Augen noch sein Gehirn wirklich erfassen konnten. Doch es veränderte merklich die Form, zog sich in die Länge, bis sich langsam menschliche Konturen herauskristallisierten. Und direkt aus dem Inneren der vormals finsteren Leere drangen
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