Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Robert kühl. „Du hast doch einen allwissenden Informanten.“
„ Nein“, sagte Jesco mit gesenkter Stimme und ließ die Schultern hängen, wobei er den Blickkontakt zu Robert unterbrach. „Nein, er ist nicht mein Informant, auch wenn ich das gerade gern so hätte. Aber das würde ihn reichlich klein machen.“
Von den Pferden kam ein nervöses Wiehern herüber, unruhig klapperten Hufe auf den Boden.
Jesco hielt die Augen weiter gesenkt, er wirkte kraftlos, beinah resigniert. Doch er sprach weiter, noch leiser jetzt, kaum noch verständlich. „Ich habe ein Bild gesehen, das mich nicht mehr loslässt“, sagte er. „Letzte Nacht. Ich war wach dabei, es war wie eine Vision, kein Traum, schrecklich lebendig.“ Er stockte, musste sich fassen. Robert warf unterdessen einen Blick zu den Pferden, deren Zügel nebeneinander an der Kniebank befestigt waren. Das neu hinzugekommene Tier geriet wohl durch den Lärm und die ungewohnte Umgebung zunehmend in Aufregung, die anderen Pferde ließen sich von der Nervosität anstecken und legten schon die Ohren an. Es schien Robin, Robert wolle sich unter Missachtung der an ihn gerichteten Worte erheben, um sich um die Tiere zu kümmern. Im nächsten Moment fuhr Jesco in einem festeren, doch schmerzerfüllten Ton fort.
„ Ich sah eine Frau am Boden, Mund und Hals voller Blut. Die Hand lag ganz verdreht neben dem Kopf, das Gesicht leichenblass. Ich kniete vor ihr nieder, fühlte sogar den harten Boden unter mir.“
Robert hielt inne, sah Jesco an, der seine Vision während des Erzählens noch einmal zu erleben schien, so versunken wirkte er.
„Ich tauchte meinen Daumen in das Blut auf dem Boden“, fuhr Jesco fort, während seine Finger sich in den Stoff seiner Hose gruben. „Und schrieb damit etwas auf ihre Stirn, doch weiß ich nicht, was.“
Robin sah, wie Roberts Körper sich anspannte, im Gesicht konnte er ein Zucken erkennen. Was ging hier vor?
„Dann strich ich das Blut über ihre geschlossene Lider“, redete Jesco weiter und schluckte hart. „Und als ich der Vision entkam ... es war, als wenn sie mich zurück ins Leben spie ... da kam es mir vor, als hätte ich Tadeya für immer verloren. Als sei sie es gewesen, die kalt und blutbesudelt dalag.“
Robert presste fest die Lippen aufeinander und sagte kein Wort.
Jesco schüttelte einmal kräftig den Kopf, wie um die furchtbaren Bilder abzuschütteln, die ihn so gefangen nahmen. „Sie hatte blondes Haar“, erklärte er fest. „Es war nicht Tadeya. Und doch ... es tat weh, als würde ich die Tote kennen ... und lieben ...“.
Das schwarze Pferd stampfte noch kräftiger mit den Hufen und ließ ein kräftiges Schnauben hören, doch Robin nahm dies nur nebenbei wahr. Vor seinen Augen und Ohren ging etwas viel Wichtigeres vor sich, das ihn in den Bann schlug.
Plötzlich hob Jesco den Kopf und begegnete Roberts intensiven Blick. „Hoffnung“, entfuhr es ihm und sein Gesicht drückte dabei Erstaunen aus, als sei ihm ein unerwarteter Einfall gekommen. „Hoffnung und ...“, setzte er noch einmal an, doch Robert fiel ihm ins Wort. „... und Vergebung “, beendete dieser den Satz in hartem Ton, als wolle er diesen Begriff nicht aus dem Mund seines Gegenübers hören.
„ Ja“, bestätigte Jesco leise.
Robin durchfuhr ein Schauer.
Seine Gefährten schienen etwas miteinander zu teilen, das ihm verborgen blieb.
„ Die Polizei“, sagte Robert nachdenklich. „Du hast ...“. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, sie kannten die Worte nicht ...“.
„ Die Polizei?“ fragte Jesco stirnrunzelnd. Dann schien er zu begreifen, überlegte noch einmal, vielleicht um die richtigen Worte zu suchen, doch fand er sie nicht. Der nächste Satz blieb unvollständig. „Sie war also die Frau, die ...“.
An dem Punkt erkannte Robin plötzlich, wovon hier die Rede war. In dem Buch des alten Meisters stand das Ereignis nur im Nebensatz erwähnt, ohne Details. „Diane von Roder!“ entfuhr es ihm erregt. Im nächsten Moment legte er reuig die Hand auf den vorlauten Mund. Robert warf ihm einen bitterbösen Blick zu.
„Verzeihung“, murmelte Robin bestürzt und wandte die Augen ab.
Die Unruhe unter den Pferden nahm zu. Ein schrilles Wiehern erklang, dann das Rumpeln der Kniebank, die über den Boden gezerrt wurde. Obwohl Robin der weitere Verlauf des Gesprächs brennend interessierte, hielt er es für angebracht, nun zu verschwinden und sich um die Tiere zu kümmern. Er erhob sich, senkte noch einmal das Haupt und
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