Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
verwundbar. Und darum drangen diese finsteren Augen mit einem Ruck in ihre Seele.
Tadeyas Beine gaben nach. Sie kämpfte um die Beherrschung ihres Körpers, doch die Kontrolle war bereits verloren. Ihr Blick verlor den Fixpunkt und sie sackte zusammen, wie ein leerer Sack. Etwas verblüfft nahm sie am Rande ihres schwindendenden Bewusstseins wahr, dass der Mann versuchte, sie aufzufangen, doch er war nicht schnell genug auf den Beinen.
Im nächsten Moment schwanden ihr die Sinne.
Es war nur eine kurze Ohnmacht. Tadeya kam an derselben Stelle wieder zu sich, wo sie in sich zusammengesackt war. In ihrem Hinterkopf, mit dem sie schon zuvor gegen die Wand geschleudert worden war, pochte der Schmerz. Sie fühlte sich schwach, wie nach langer, erschöpfender Krankheit. Ihr Entführer kniete neben ihr und hatte eine Hand unter ihren Kopf geschoben. Sein Gesicht war ihrem sehr nah, doch im ersten Moment ihres Erwachens sah er sie nicht an. Er blickte zur Seite, suchte irgendetwas mit den Augen. Sie fühlte sich abermals stark an Elisa erinnert, als sie sein Profil betrachtete. Tadeya drängte sich der ebenso absurd wie verlockend klingende Gedanke auf, dass er, nur wenige Jahre älter als sie, ihr Bruder sein könnte.
Sie sah, wie er mit der freien Hand zur Seite griff und einen der Beutel zu sich heranzog. Dann glitten seine Augen zu ihrem Gesicht und er bemerkte, dass sie wach war. Doch er sagte nichts zu ihr, sondern wandte sich wieder dem Beutel an seiner Seite zu und zerrte eine Decke daraus hervor, die er statt seiner Hand unter ihren Kopf schob. Dann blickte er sie ein zweites Mal an.
"Liegen bleiben", sagte er. "Wenn du jetzt versuchst aufzustehen, könnte es dir ziemlich übel werden."
"Mist", ärgerte sich Tadeya mit in ihren eigenen Ohren erbärmlich schwacher Stimme.
"Es wird wieder", meinte er. "Morgen kannst du schon wieder versuchen, mich umzubringen."
"Du bist ein Bastard", brachte Tadeya hervor und empfand dabei noch immer nur sehr wenig von ihrer vorherigen Wut.
Er nickte ernst. "Nach jeder Definition dieses Wortes: ja."
"Wer bist du?" fragte sie, den Blick nicht von ihm abwendend. Sie bemerkte eine feine, nur aus der Nähe sichtbare, längliche Narbe auf seiner linken Wange. In den schwarzen Augen flackerte der Feuerschein der Lampe.
"Du kennst meinen Namen", erwiderte er.
"Heißt du wirklich so?" hakte sie nach. "Robert Adlam? Bist du englischer Abstammung? Oder waren deine Eltern in Wahrheit - so etwas Ähnliches wie Zigeuner?" Sie kniff die Augen zusammen, als ein heftiger Schmerz durch ihren Kopf zuckte. Doch im nächsten Moment konnte sie wieder durchatmen.
Er erhob sich von den Knien und sie sah im nächsten Moment nur noch seine Stiefel. "Liegen bleiben", wiederholte er. Dann ging er fort.
Tadeya gehorchte und regte sich nicht, sondern starrte zu der Holzdecke hinauf. Sie glaubte ihm, dass es besser für sie war, nicht aufzustehen. Neben dem Kopfschmerz und dem Gefühl allgemeiner Schwäche war ihr zusätzlich noch kalt. Fröstelnd zog sie die Schultern zusammen. Es gab keinen Ofen, keine Feuerstelle in diesen Räumen. Und draußen herrschten Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt.
Der Mann, der sich Robert Adlam nannte, kam nur eine Minute später wieder zurück, beugte sich über sie und legte eine Decke über ihren zitternden Körper. Dann machte er einen Schritt zur Seite und setzte sich wieder an denselben Platz, wo er gesessen hatte, bevor sie bewusstlos geworden war. Tadeya musste den Kopf ziemlich verdrehen, um ihn wieder im Blickfeld zu haben. Das schmerzhafte Pochen intensivierte sich und kroch bis in ihre Schläfen. Sie versuchte, den Schmerz zu ignorieren, doch das Sprechen fiel ihr dabei nicht leicht.
"Ich habe keine Vergangenheit", erklärte sie ihm und bemerkte, dass ihre Stimme dabei unangenehm schleppend klang, beinah wie betrunken. "Ich habe keine Eltern, keine Geschichte, keine Wurzeln. Ich weiß nicht, wer ich bin."
Sie hielt inne, beobachtete seine Reaktion. Doch sein Gesicht war wie versteinert, er gab keine Antwort.
Ebenso mühsam, wie sie begonnen hatte, fuhr sie fort: "Man munkelt irgendetwas von Zigeunern, doch Elisa schweigt dazu. Sie ist eine Meisterin des Schweigens. Und eine Meisterin darin, ihr eigenes Leben mit fremden Vergangenheiten zu schmücken." Tadeya zog eine Hand unter ihrer Decke hervor und streckte sie ihrem Entführer entgegen, aber sie konnte ihn nicht berühren. Er saß zu weit entfernt von ihr.
"Robert Adlam, wer auch immer du
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