Elwin - Rosenwasser (German Edition)
blickte nach oben, das Tageslicht, das durch das runde Loch fiel, kam auf ihn zu. Die Luft zischte und knackte in den Ohren. Es wurde rasch wärmer, er sah die Rosen, der Duft stieg in seine Nase, und schon war er draußen. Über ihm rankte ein Rosenzweig mit weißen Blüten. Er schob ihn beiseite, kletterte über den Rand des Brunnens, sprang auf den Boden und gab das vereinbarte Klopfzeichen. Der Kübel sauste zurück in die Tiefe.
Elwin sah sich um, stellte die Ohren auf und lauschte. In der Tiefe hörte er Groohi und Pletomuk sich verabschieden, hier oben, in den Baumkronen säuselte der Wind. Ein kalter Luftzug aus dem Brunnen strich über sein Gesicht. Er blickte hinab, hörte das Wasser steigen und schon war Groohi neben ihm. Er stieg aus, klopfte und schickte den Kübel nach unten. Beide sahen ihm nach, bis er plötzlich wie von Geisterhand verschwand. Tief unten warf das Wasser einen schwachen Widerschein zurück.
»Hilf mir«, sagte Groohi nur und fasste mit beiden Händen unter die Steinplatte. Zusammen hoben sie die Platte auf den Brunnen und deckten ihn ab.
Dann ging Groohi zum Weg, der zum Rosentor führte und ihnen Freiheit versprach. Vor den Marmorplatten blieb er stehen, seine Schuhspitzen berührten gerade die erste Steinplatte. Er blickte nach oben und suchte den Himmel ab. Eine hohe Wolke schob sich über die Bäume, sonst war nichts zu sehen. Er sah zu Elwin, der rechts neben ihm stand.
»Hast du jemanden im Wald bemerkt? Schritte? Stimmen?«, fragte er. »Pletomuk sagte zum Abschied, er habe zwei gehört. Vermutlich dieselben Trolle wie im Frühjahr. Er hört sie seither öfters.«
Elwin schüttelte den Kopf.
»Fass meine Hand, dann gehen wir«, sagte Groohi und sah den Freund an. »Bist du bereit?«
Elwin nickte nur.
Groohi lächelte knapp und sagte: »Auf mein Zeichen gehen wir los. Drei, zwei, eins.«
Beide hoben gleichzeitig die rechten Füße an und setzten sie einen kleinen Schritt vor. Kaum hatten ihre Schuhspitzen die Steine berührt, füllte grauer Dunst die Luft. Eine sanfte Kraft versuchte, sie zurückzudrängen. Sie blieben stehen und blickten einander an. Groohi lächelte kurz. Er hatte sich den ersten Schritt schwieriger vorgestellt. Nun setzten sie die linken Füße vor. Kaum standen sie, da bebte der Dunst, dichte Nebelschwaden umwehten sie.
Elwin atmete schneller. Der Dunst folgte seinem Atem, wurde dicht, wenn er einatmete, und wich, wenn er den Atem ausstieß. Hatte die dunkle Macht ihn schon besetzt? War sie in seine Lungen, in seinen Körper, in sein Bewusstsein vorgedrungen? Er hielt die Luft an. Lange konnte er sich das Atmen nicht versagen, der Fluch hingegen hatte alle Zeit.
Groohi zog an Elwins Pfote. Der atmete ein, stieß die Luft schnell aus und setzte wie der Freund einen Fuß vor. Diesmal empfand er den grauen Strom um den Körper genauso harmlos wie nach dem ersten Schritt. Sofort teilte er seine Beobachtung mit. »Atme aus, bevor du einen Schritt nach vorne machst«, flüsterte er.
Schritt für Schritt legten sie so über die Hälfte des Weges zurück. Beide hatten gerade die Füße angehoben, bereit den nächsten Schritt zu machen, als ihnen plötzlich ein wahrer Sturm entgegenschlug. Es war, als stünden sie in einem schwarzen reißenden Strom, der an ihren Körpern zerrte. Elwin riss es den linken Fuß weg, er verlor den Halt und stürzte mit der rechten Schulter zu Boden. Groohi war schwerer als er und konnte dem Strom zunächst standhalten, doch mit Elwins Sturz glitt auch er zu Boden.
Das Rosenwasser! Dieser Gedanke schoss Elwin wie ein Blitz durch den Kopf. War es unbeschädigt? Er senkte den Kopf und starrte durch den dichten Nebel auf den braunen Beutel. Alles schien unversehrt. Die schwarze Macht drückte auf sein Gesicht und seine Augen. So sehr er sich auch bemühte, er konnte kaum etwas sehen. Er drehte den Kopf zu Groohi, der mit der linken Hand Halt in einer Fuge zwischen zwei Steinen gefunden hatte. Mit ausgestrecktem Arm hielt er sich fest, an der anderen hatte er Elwin. Sein Gesicht war von der Anstrengung gezeichnet. Er rief etwas, aber die dunkle Macht bemächtigte sich seiner Worte.
Elwin tastete mit den Füßen die Steine ab, versuchte, sich zu halten. Langsam rutschte er zurück, ohne Groohi wäre er bis zum Brunnen geschleudert worden. Plötzlich durchfuhr ein heftiger Ruck seinen Arm. Groohi hatte ihn zu sich herangezogen. Elwin fand endlich mit einem Fuß Halt in einer kleinen Unebenheit - eine winzige Atempause im Kampf
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