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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Funke Leben
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...«
    »Was?«
    »Drau­ßen. Das war die Ent­war­nung. Das letz­te Si­gnal.«
    Es wur­de plötz­lich sehr still. Dann hör­te man Schrit­te. »Weg mit dem
Schä­fer­hund«, flüs­ter­te Bu­cher.
    Ahas­ver schob den Ver­rück­ten zwi­schen die Bet­ten. »Kusch! Still!« Er hat­te ihn
so er­zo­gen, daß er auf Kom­man­dos hör­te.
    Hät­te die SS ihn ge­fun­den, so wä­re er als Ver­rück­ter so­fort ab­ge­spritzt wor­den.
    Bu­cher kam von der Tür zu­rück. »Es ist Ber­ger.«
    Dok­tor Eph­raim Ber­ger war ein klei­ner Mann mit ab­fal­len­den Schul­tern und ei­nem
ei­för­mi­gen Kopf, der völ­lig kahl war.
    Sei­ne Au­gen wa­ren ent­zün­det und trän­ten. »Die Stadt brennt«, sag­te er, als er
her­ein­kam.
    509 rich­te­te sich auf. »Was sa­gen sie drü­ben da­zu?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wie­so? Du mußt doch et­was ge­hört ha­ben.«
    »Nein«, er­wi­der­te Ber­ger mü­de. »Sie ha­ben auf­ge­hört zu ver­bren­nen, als der
Alarm kam.«
    »Warum?«
    »Wie soll ich das wis­sen? Es wird be­foh­len, fer­tig.«
    »Und die SS? Hast du von der et­was ge­se­hen?«
    »Nein.«
    Ber­ger ging durch die Bret­ter­rei­hen nach hin­ten. 509 sah ihm nach. Er hat­te auf
Ber­ger ge­war­tet, um mit ihm zu spre­chen, und nun schi­en er eben­so teil­nahms­los
wie al­le an­de­ren. Er ver­stand es nicht. »Willst du nicht 'raus?« frag­te er
Bu­cher.
    »Nein.«
    Bu­cher war fünf­und­zwan­zig Jah­re alt und seit sie­ben Jah­ren im La­ger. Sein Va­ter
war Re­dak­teur ei­ner so­zi­al­de­mo­kra­ti­schen Zei­tung ge­we­sen; das hat­te ge­nügt, den
Sohn ein­zu­sper­ren.
    Wenn er hier wie­der her­aus­kommt, kann er noch vier­zig Jah­re le­ben, dach­te 509.
Vier­zig oder fünf­zig. Ich da­ge­gen bin fünf­zig.
    Ich ha­be viel­leicht noch zehn, höchs­tens zwan­zig Jah­re. Er zog ein Stück Holz
aus der Ta­sche und be­gann dar­an zu kau­en.
    Wo­zu den­ke ich plötz­lich an so was? dach­te er.
    Ber­ger kam zu­rück. »Loh­mann will mit dir spre­chen, 509.«
    Loh­mann lag im hin­te­ren Teil der Ba­ra­cke auf ei­nem un­te­ren Bett oh­ne Stroh. Er
hat­te das so ge­wollt. Er litt an schwe­rer Dys­en­te­rie und konn­te nicht mehr
auf­ste­hen.
    Er glaub­te, es sei so rein­li­cher. Es war nicht rein­li­cher. Aber al­le wa­ren es
ge­wöhnt.
    Fast je­der hat­te mehr oder min­der Durch­fall. Für Loh­mann war es ei­ne Tor­tur. Er
lag im Ster­ben und ent­schul­dig­te sich bei je­dem Krampf sei­ner Ein­ge­wei­de. Sein
Ge­sicht war so grau, daß er ein blut­lo­ser Ne­ger hät­te sein kön­nen. Er be­weg­te
ei­ne Hand, und 509 beug­te sich über ihn. Die Au­gen­bäl­le Loh­manns glänz­ten
gelb­lich. »Siehst du das?« flüs­ter­te er und öff­ne­te sei­nen Mund weit.
    »Was?« 509 sah auf den blau­en Gau­men.
    »Hin­ten rechts – da ist ei­ne Gold­kro­ne.«
    Loh­mann dreh­te den Kopf in die Rich­tung des schma­len Fens­ters. Die Son­ne stand
da­hin­ter, und die Ba­ra­cke hat­te an die­ser Sei­te jetzt ein schwa­ches, ro­si­ges
Licht.
    »Ja«, sag­te 509. »Ich se­he sie.« Er sah sie nicht.
    »Nehmt sie 'raus.«
    »Was?«
    »Nehmt sie 'raus!« flüs­ter­te Loh­mann un­ge­dul­dig.
    509 sah zu Ber­ger hin­über. Ber­ger schüt­tel­te den Kopf.
    »Sie sitzt doch fest«, sag­te 509.
    »Dann zieht den Zahn 'raus. Er sitzt nicht sehr fest. Ber­ger kann es. Er macht
es im Kre­ma­to­ri­um doch auch. Zu zweit könnt ihr es leicht.«
    »Warum willst du sie 'raus ha­ben?« Loh­manns Au­gen­li­der ho­ben und senk­ten sich
lang­sam. Sie wa­ren wie die ei­ner Schild­krö­te. Sie hat­ten kei­ne Wim­pern mehr.
»Das wißt ihr doch selbst. Gold. Ihr sollt Es­sen da­für kau­fen. Le­ben­thal kann
sie ein­tau­schen.« 509 ant­wor­te­te nicht. Ei­ne Gold­kro­ne zu tau­schen war ei­ne
ge­fähr­li­che Sa­che.
    Gold­plom­ben wur­den im all­ge­mei­nen bei der Ein­lie­fe­rung ins La­ger re­gis­triert
und spä­ter im Kre­ma­to­ri­um aus­ge­zo­gen und ge­sam­melt. Stell­te die SS fest, daß
ei­ne fehl­te, die in den Lis­ten ver­zeich­net war, so wur­de die gan­ze Ba­ra­cke
ver­ant­wort­lich ge­macht.
    Sie be­kam kein Es­sen, bis die Plom­be zu­rück­ge­ge­ben war.
    Der Mann, bei dem man sie fand, wur­de ge­hängt.
    »Zieht sie 'raus!«

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