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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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in sei­nen Wa­gen. An­dré zö­ger­te, ihn fort­zu­schie­ben. Lil­li­an trat vor.
»Ich brin­ge Sie zu­rück.« Sie schob den Wa­gen zur Tür.
    »Sie al­so!« sag­te
das Kro­ko­dil. »Das hät­te ich mir den­ken kön­nen!«
    Lil­li­an schob den
Wa­gen auf den Kor­ri­dor. Charles Ney und die an­dern folg­ten. Sie ki­cher­ten wie
er­tapp­te Kin­der. »Einen Au­gen­blick!« sag­te Schir­mer und dreh­te den Wa­gen noch
ein­mal zur Tür. Das Kro­ko­dil stand ho­heits­voll da­vor. »Von dem, was Sie im
Le­ben ver­säumt ha­ben«, er­klär­te Schir­mer, »könn­ten drei Kran­ke ein glück­li­ches
Da­sein füh­ren. Ei­ne ge­seg­ne­te Nacht mit ei­nem guss­ei­ser­nen Ge­wis­sen!« Er dreh­te
den Wa­gen zum Kor­ri­dor. Charles Ney schob ihn wei­ter. »Wo­zu so viel mo­ra­li­sche
Er­re­gung, Schir­mer?« frag­te er. »Das bra­ve Tier tut doch nur sei­ne Pflicht.«
    »Ich weiß. Sie tut
sie nur so ver­dammt über­heb­lich. Aber ich wer­de sie schon noch über­le­ben! Ich
ha­be ih­re Vor­gän­ge­rin er­lebt – sie war nur vierund­vier­zig und starb
plötz­lich in vier Wo­chen an Krebs –, ich wer­de auch die­ses Biest –
wie alt ist das Kro­ko­dil ei­gent­lich? Doch si­cher über sech­zig! Oder fast
sieb­zig! Ich wer­de auch sie über­le­ben!«
    »Ein schö­nes Ziel!
Ed­le Men­schen sind wir!« grins­te Charles.
    »Nein«, er­wi­der­te
der Grau­bart mit grim­mi­ger Ge­nug­tu­ung. »Wir sind zum To­de ver­ur­teilt. Aber
nicht nur wir al­lein. Die an­dern auch! Al­le! Al­le! Wir wis­sen es nur. Die
an­dern nicht.«
    Eva Mo­ser kam ei­ne
hal­be Stun­de spä­ter in Lil­lians Zim­mer. »Ist mein Bett hier?« frag­te sie.
    »Ihr Bett?«
    »Ja. Mein Zim­mer
ist aus­ge­räumt. Auch mei­ne Klei­der sind fort. Ich muß doch noch ir­gend­wo
schla­fen. Wo mö­gen mei­ne Sa­chen sein?«
    Es war ei­ner der
üb­li­chen Scher­ze, wenn je­mand aus dem Sa­na­to­ri­um ent­las­sen wur­de, in der
letz­ten Nacht sei­ne Sa­chen zu ver­ste­cken. Eva Mo­ser war ver­zwei­felt. »Ich hat­te
schon al­les bü­geln las­sen. Wenn sie es nun schmut­zig ma­chen! Ich muß auf mein
Geld ach­ten, jetzt, wo ich hin­un­ter­ge­he.«
    »Sorgt Ihr Va­ter
un­ten nicht für Sie?«
    »Er will mich
los­wer­den. Ich glau­be, er will wie­der hei­ra­ten.«
    Lil­li­an hat­te
plötz­lich das Ge­fühl, das Mäd­chen kei­ne Mi­nu­te län­ger mehr er­tra­gen zu kön­nen.
»Ge­hen Sie zum Fahr­stuhl«, sag­te sie. »Ver­ste­cken Sie sich, bis Charles Ney
her­aus­kommt. Er kommt zu mir. Ge­hen Sie dann in sein Zim­mer; er wird es nicht
ab­ge­schlos­sen ha­ben. Ru­fen Sie mich von dort an. Sa­gen Sie, daß Sie sei­nen
Smo­king in hei­ßes Was­ser wer­fen und sei­ne Wä­sche mit Tin­te be­gie­ßen wer­den,
wenn Ihr Bett und Ih­re Sa­chen nicht so­fort zu­rück­ge­bracht wer­den. Ver­stan­den?«
    »Ja, aber ...«
    »Man hat sie nur
ver­steckt. Ich weiß nicht, wer. Aber ich wür­de er­staunt sein, wenn Charles Ney
nichts da­von wüss­te.«
    Lil­li­an hob das
Te­le­fon ab. »Charles?«
    Sie wink­te Eva
Mo­ser zu ge­hen. »Charles«, sag­te sie, »kannst du einen Au­gen­blick bei mir
vor­bei­kom­men? Ja? Gut.«
    Er kam ein paar
Mi­nu­ten spä­ter. »Was ist mit dem Kro­ko­dil pas­siert?« frag­te Lil­li­an.
    »Al­les in Ord­nung.
Do­lo­res macht das meis­ter­haft. So et­was an Ver­stel­lung! Sie hat ein­fach die
Wahr­heit ge­sagt – daß wir un­se­re Ver­zweif­lung dar­über, hier blei­ben zu
müs­sen, be­täu­ben woll­ten. Glän­zen­de Idee. Ich glau­be, das Kro­ko­dil hat­te fast
ei­ne Trä­ne im Au­ge, als es ging.«
    Das Te­le­fon
klin­gel­te. Eva Mo­sers Stim­me war so laut, daß Charles sie ver­ste­hen konn­te.
»Sie ist in dei­nem Ba­de­zim­mer«, sag­te Lil­li­an. »Sie hat hei­ßes Was­ser
ein­ge­las­sen. In der lin­ken Hand hält sie dei­nen neu­en Abend­an­zug, in der
rech­ten dei­ne tür­kis­far­be­ne Füll­fe­dert­in­te. Ver­su­che nicht, sie zu über­ra­schen.
Im Mo­ment, wo du die Tür öff­nest, han­delt sie. Hier, sprich mit ihr.«
    Sie gab ihm den
Hö­rer und ging zum Fens­ter. Das Pa­lace Ho­tel im Dorf war noch er­leuch­tet. In
zwei bis drei Wo­chen wür­de auch das vor­bei sein. Die Tou­ris­ten

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