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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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merk­wür­dig, wie we­nig Chi­ne­sin­nen man in New York
sieht«, sag­te Kahn. »Ent­we­der sind sie ver­steckt in ih­ren Häu­sern, oder die
Chi­ne­sen ha­ben das Pro­blem der Par­the­no­ge­ne­se ge­löst. Kin­der sieht man ge­nug,
aber we­nig Frau­en. Da­bei sind Chi­ne­sin­nen die wun­der­bars­ten Frau­en der Welt.«
    »In Ro­ma­nen.«
    »In Chi­na«, sag­te Kahn.
    »Wa­ren Sie da?«
    »Ja. 1930. Zwei Jah­re.«
    »Und Sie sind zu­rück­ge­kom­men? Warum?«
    Kahn lach­te, daß er sich schüt­tel­te.
»Heim­weh!«
    Wir be­stell­ten in Öl ge­bra­te­ne Shrimps.
»Wie geht es Car­men?« frag­te ich. »Sie sieht aus wie ei­ne Kreu­zung zwi­schen
ei­ner Po­ly­ne­si­e­rin und ei­ner sehr hel­len Chi­ne­sin. Sehr tro­pisch und tra­gisch.«
    »Sie ist in Pom­mern ge­bo­ren, in Rü­gen­wal­de.
So et­was kommt vor. Zum Glück war sie Jü­din, das half ihr, die­sen Kom­plex zu
über­win­den.«
    »Sie sieht aus, als wä­re sie aus Tim­buk­tu,
Hong­kong oder Pa­pee­te.«
    »Geis­tig ist sie aus Kötz­schen­bro­da. Ei­ne
fas­zi­nie­ren­de Mi­schung. Ich kann mir un­ge­fähr vor­stel­len, wie Sie in ei­ner
be­stimm­ten Si­tua­ti­on rea­gie­ren wer­den oder was Sie den­ken. Bei Car­men kann ich
es nicht. Sie ist mir so au­ßer­ge­wöhn­lich fremd, daß ich nie weiß, was sie denkt
oder wie sie rea­giert. Sie ist nicht, wie Sie mei­nen, ei­ne ro­man­ti­sche Mi­schung
aus Yo­ko­ha­ma, Kan­ton und den Ge­wür­zin­seln – sie kommt von viel wei­ter her.
Von den Kra­tern des Mon­des, aus ei­ner Ur­land­schaft rei­ner Dumm­heit, Ein­falt
oder Sim­pli­zi­tät, zu der wir an­dern den Weg längst ver­lo­ren ha­ben. Sie ist
im­mer neu wie am ers­ten Tag. Das Weib in sei­ner Vollen­dung. Sie gibt sich nicht
die ge­rings­te Mü­he; sie hat nie Zwei­fel; sie ist da und da­mit gut. Wol­len Sie
noch ei­ne Por­ti­on Schmet­ter­lings­shrimps be­stel­len? Sie sind herr­lich.«
    »Gut.«
    »Dumm­heit ist ein kost­ba­res Gut«, sag­te
Kahn. »Ein­mal ver­lo­ren, nie wie­der zu ge­win­nen! Sie schützt wie ein
Zau­ber­man­tel. Man sieht die Ge­fah­ren gar nicht, an de­nen der In­tel­lekt
schei­tert. Ich ha­be einen Kur­sus in künst­li­cher Dumm­heit ge­macht. Ich ha­be mich
dar­in trai­niert und ich ha­be gut ge­lernt, sonst wä­ren mir ein paar mei­ner
Strei­che in Frank­reich übel be­kom­men. Aber das al­les ist na­tür­lich nur ein
er­bärm­li­cher Er­satz für wirk­li­che, strah­len­de Dumm­heit, be­son­ders wenn sie sich
mit ei­nem Ge­sicht paart, das für die Dü­se ge­schaf­fen sein könn­te, und als
drit­tes zu ei­ner Jü­din ge­hört. Sehr dum­me Ju­den sind ein sen­ti­men­ta­les,
ver­trau­ens­se­li­ges Volk mit künst­le­ri­scher und ge­schäft­li­cher Be­ga­bung, wit­zig,
aber längst nicht im­mer klug.«
    Kahn grins­te. »Sehr dum­me Ju­den, ha­be ich
ge­sagt. Da, wo die Dumm­heit par­zi­va­lisch und fast hei­lig wird.«
    Ich ver­schluck­te mich. Car­men als Par­zi­val
oder Lo­hen­grin, das paß­te so we­nig zu­sam­men, daß et­was dar­in stimm­te. Ich
lieb­te ab­stru­se Il­lu­sio­nen und hat­te mir mei­ne Zeit in Brüs­sel manch­mal da­mit
ver­trie­ben, wel­che zu er­fin­den. Auch jetzt wa­ren sie noch im­stan­de, mich so­fort
in hei­te­re Lau­ne zu ver­set­zen. Sie wa­ren wie der hei­li­ge Ruck der Er­leuch­tung
bei der Zen-Re­li­gi­on. Der un­er­war­te­te Ver­gleich reich­te über die Lo­gik ins
Kos­mi­sche hin­aus. »Wie geht es Ih­nen sonst?« frag­te ich, »was ma­chen die
Ge­schäf­te?«
    »Ich lang­wei­le mich«, er­wi­der­te Kahn und
sah sich im Lo­kal um. Die Chi­ne­sen be­dien­ten, au­ßer den Kell­nern wa­ren kei­ne
da. Da­für sah man die un­be­hol­fe­nen Ver­su­che kräf­ti­ger, schwit­zen­der
Ge­schäfts­leu­te, mit Stäb­chen zu es­sen. Die aus­ge­zo­ge­nen Jacketts hin­gen da­bei
wie See­len­ge­spens­ter über den Rücken der Stüh­le. Kahn aß ele­gant wie ein
Man­da­rin der zwei­ten Stu­fe. »Ich lang­wei­le mich gren­zen­los«, sag­te er. »Das
Ge­schäft geht gut. Ich könn­te in ei­ni­gen Jah­ren ers­ter Ver­käu­fer sein, dann in
noch ei­ni­gen Jah­ren einen An­teil kau­fen, dann in noch ei­ni­gen Jah­ren viel­leicht
so­gar das

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