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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ist, ist er nur
noch ein ein­fa­cher Agent Got­tes, ge­müt­lich, kräf­tig, mit den ro­ten Ba­cken, der
ro­ten Na­se und den ge­platz­ten Äder­chen dar­in, die den Lieb­ha­ber des Wei­nes
kenn­zeich­nen. Er weiß es nicht – aber er war mein Beicht­va­ter für man­che Jah­re
vor dem Krie­ge, als wir, auf An­ord­nung der Schu­le, je­den Mo­nat beich­ten und kom­mu­ni­zie­ren
muß­ten. Wer nicht ganz dumm war, ging zu Bo­den­diek. Er war schwer­hö­rig, und da
man bei der Beich­te flüs­tert, konn­te er nicht ver­ste­hen, was für Sün­den man
be­kann­te. Er gab des­halb die leich­tes­ten Bu­ßen auf. Ein paar Va­terun­ser, und
man war al­ler Sün­den le­dig und konn­te Fuß­ball spie­len ge­hen oder in der
Städ­ti­schen Leih­bü­che­rei ver­su­chen, ver­bo­te­ne Bü­cher zu be­kom­men. Das war et­was
an­de­res als beim Dom­pas­tor, zu dem ich ein­mal ge­riet, weil ich es ei­lig hat­te
und weil vor Bo­den­dieks Beicht­stuhl ei­ne lan­ge Schlan­ge War­ten­der stand. Der
Dom­pas­tor gab mir ei­ne heim­tücki­sche Bu­ße auf: ich muß­te in ei­ner Wo­che wie­der
zur Beich­te kom­men, und als ich es tat, frag­te er mich, warum ich da sei. Da
man in der Beich­te nicht lü­gen darf, sag­te ich es ihm, und er gab mir als Bu­ße
ein paar Dut­zend Ro­sen­krän­ze zu be­ten und den Be­fehl, die fol­gen­de Wo­che
eben­falls wie­der­zu­kom­men. Das ging so wei­ter, und ich ver­zwei­fel­te fast – ich
sah mich be­reits mein gan­zes Le­ben an der Ket­te des Dom­pas­tors zu wö­chent­li­chen
Kon­fes­sio­nen ver­ur­teilt. Zum Glück be­kam der hei­li­ge Mann in der vier­ten Wo­che
die Ma­sern und muß­te im Bett blei­ben. Als mein Beicht­tag her­an­kam, ging ich zu
Bo­den­diek und er­klär­te ihm mit lau­ter Stim­me die La­ge – der Dom­pas­tor ha­be mich
ver­pflich­tet, heu­te wie­der zu beich­ten, aber er sei krank. Was ich tun sol­le?
Zu ihm hin­ge­hen kön­ne ich nicht, da Ma­sern an­ste­ckend sei­en. Bo­den­diek
ent­schied, daß ich bei ihm eben­so­gut beich­ten kön­ne; Beich­te sei Beich­te und
Pries­ter Pries­ter. Ich tat es und war frei. Den Dom­pas­tor aber mied ich seit­her
wie die Pest.
    Wir
sit­zen in ei­nem klei­nen Zim­mer in der Nä­he des großen Saa­l­es für die frei­en
Kran­ken. Es ist kein ei­gent­li­ches Eß­zim­mer; Bü­cher­re­ga­le ste­hen dar­in, ein Topf
mit wei­ßen Ge­ra­ni­en, ein paar Stüh­le und Ses­sel und ein runder Tisch. Die
Oberin hat uns ei­ne Fla­sche Wein ge­schickt, und wir war­ten auf das Es­sen. Ich
hät­te vor zehn Jah­ren nie ge­glaubt, ein­mal mit mei­nem Beicht­va­ter ei­ne Fla­sche
Wein zu trin­ken – aber ich hät­te da­mals auch nie ge­glaubt, daß ich ein­mal
Men­schen tö­ten und da­für nicht auf­ge­hängt, son­dern de­ko­riert wer­den wür­de, und
trotz­dem ist es so ge­kom­men.
    Bo­den­diek
pro­biert den Wein. «Ein Schloß Rein­hards­hau­se­ner von der Do­mä­ne des Prin­zen
Hein­rich von Preu­ßen», er­klärt er an­däch­tig. «Die Oberin hat uns da et­was sehr
Gu­tes ge­schickt. Ver­ste­hen Sie was von Wein?»
    «We­nig»,
sa­ge ich.
    «Sie
soll­ten es ler­nen. Spei­se und Trank sind Ga­ben Got­tes. Man soll sie ge­nie­ßen
und ver­ste­hen.»
    «Der
Tod ist si­cher auch ei­ne Ga­be Got­tes», er­wi­de­re ich und bli­cke durch das
Fens­ter in den dunklen Gar­ten. Es ist win­dig ge­wor­den, und die schwar­zen Kro­nen
der Bäu­me schwan­ken. «Soll man den auch ge­nie­ßen und ver­ste­hen?»
    Bo­den­diek
sieht mich über den Rand sei­nes Wein­gla­ses be­lus­tigt an. «Für einen Chris­ten
ist der Tod kein Pro­blem. Er braucht ihn nicht ge­ra­de zu ge­nie­ßen; aber
ver­ste­hen kann er ihn oh­ne wei­te­res. Der Tod ist der Ein­gang zum ewi­gen Le­ben.
Da ist nichts zu fürch­ten. Und für vie­le ist er ei­ne Er­lö­sung.»
    «Warum?»
    «Ei­ne
Er­lö­sung von Krank­heit, Schmerz, Ein­sam­keit und Elend.» Bo­den­diek nimmt einen
ge­nie­ße­ri­schen Schluck und läßt ihn hin­ter sei­nen ro­ten Ba­cken im Mun­de
um­her­ge­hen.
    «Ich
weiß», sa­ge ich. «Die Er­lö­sung vom ir­di­schen Jam­mer­tal. Warum hat Gott es
ei­gent­lich ge­schaf­fen?»
    Bo­den­diek
sieht im Au­gen­blick nicht so aus, als kön­ne er das

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