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Emil oder Ueber die Erziehung

Emil oder Ueber die Erziehung

Titel: Emil oder Ueber die Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Jacques Rousseau
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Fröhlichkeit verschwindet. Lebe wohl, Freude, lebt wohl, ihr munteren Spiele! Ein ernster und verdrießlich ausschauender Mann ergreift es bei der Hand, sagt zu ihm strenge: »Kommen Sie, junger Herr!« und führt es fort. In dem Zimmer, in welches sie hineintreten, erblicke ich Bücher. Bücher! Welch trauriger Zimmerschmuck für sein Alter! Das arme Kind läßt sich fortschleppen, wirft noch einen schmerzlichen Abschiedsblick auf seine Umgebung, schweigt und geht mit Thränen im Auge, die es nicht zu vergießen wagt und mit einem Herzen voller Seufzer, die es sich furchtsam zurückzuhalten bemüht.
    O du, der du nichts Aehnliches zu fürchten hast, du, für den keine Zeit des Lebens eine Zeit der Marter und der Langenweile ist, du, der du den Tag ohne Unruhe und die Nacht ohne Ungeduld nahen siehst, und die Stunden nur nach deinen Zerstreuungen zählst, komm, du mein glücklicher, mein liebenswürdiger Zögling, und tröste uns durch deine Gegenwart über den Fortgang jenes Unglücklichen; komm …. er kommt in der That, und bei seinem Nahen empfinde ich eine Regung der Freude, die er augenscheinlich theilt. Es ist ja sein Freund, sein Kamerad, es ist ja der Genosse seiner Spiele, an den er herantritt. Mein Anblick verkündet ihm mit Sicherheit, daß er nicht mehr lange ohne Zeitvertreib sein wird. Niemals hängen wir von einander ab, aber wir fühlen uns beständig in voller Übereinstimmung und sind am liebsten unter uns allein.
    Seine Gestalt, seine Tracht, seine Haltung verkündigen Sicherheit und Zufriedenheit. Sein Gesicht strotzt von Gesundheit; sein fester Schritt verleiht ihm ein Ansehen von Kraft. Seine Gesichtsfarbe, die bei aller Zartheit doch nichts Kränkliches an sich hat, verräth keine weibische Schlaffheit. Luft und Sonne haben ihr bereits das ehrenvolle Gepräge seines Geschlechts aufgedrückt; seine noch gerundeten Muskeln fangen allmählich an festere Gesichtszüge zu zeigen. Seine Augen, die zwar noch nicht vom Feuer des Gefühls belebt sind, haben wenigstens noch ihre ganze ursprüngliche Heiterkeit; noch hat sie kein langanhaltender Gram verdüstert, noch haben keine endlosen Thränen seine Wangen gefurcht. In seinen schnellen, aber sicheren Bewegungen drückt sich die Lebhaftigkeit seines Alters, seine unerschütterliche Entschlossenheit und seine durch vielfache Hebungen erworbene Erfahrung aus. Trotz seines offenen und freien Wesens ist er weder anmaßend noch eitel. Sein Kopf, den man nicht gezwungen hat, sich fortwährend über Bücher zu bücken, sinkt ihm nicht bis auf die Brust hinab; man braucht ihn nicht beständig zu erinnern: »Hebe den Kopf in die Höhe!« da er ihn weder aus Scham noch aus Furcht je hat senken müssen.
    Räumen wir ihm einen Platz in der Gesellschaft ein! Prüfen Sie ihn, meine Herren, fragen Sie ihn ohne Scheu. Sie können unbesorgt sein, er wird Sie weder mit Zudringlichkeit, noch mit Schwatzhaftigkeit, noch mit unbescheidenen Fragen belästigen. Fürchten Sie nicht, daß er sich Ihrer bemächtigen und verlangen werde, Sie sollten sich ausschließlich mit ihm allein beschäftigen, und daß sie ihn nicht wieder los werden könnten.
    Erwarten Sie aber von ihm auch keine schönen Redensarten, oder daß er Ihnen zum Besten gebe, was ich ihm in den Mund gelegt habe; erwarten Sie nur naive und einfache Wahrheit, ohne Ausschmückung, ohne Künstelei, ohne Eitelkeit. Er wird Ihnen das Böse, das er begangen oder gedacht hat, mit demselben Freimuth eingestehen, mit welchem er Ihnen seine guten Handlungen und Gedanken erzählt, ohne sich auch nur im Geringsten um den Eindruck zu kümmern, den seine Mittheilungen auf Siemachen könnten. Er wird in die Worte denselben einfachen Sinn hineinlegen, der ihnen Anfangs beigelegt ist.
    Man hegt gewöhnlich voll den Kindern eine günstige Meinung und muß es bei den zahllosen Albernheiten, die fast immer die Hoffnungen wieder zerstören, welche man an einige zufällig ihnen entschlüpfte glückliche Gedanken geknüpft hatte, beständig bedauern. Wenn nun mein Zögling selten zu solchen Hoffnungen berechtigt, so wird er dafür auch niemals dieses Bedauern hervorrufen, denn niemals sagt er ein unnützes Wort und erschöpft sich nicht in einem Geschwätz, von dem er doch weiß, daß Niemand darauf hört. Seine Ideen sind beschränkt, aber klar. Weiß er nichts auswendig, so weiß er dafür viel aus Erfahrung; liest er unsere Bücher weniger gut als ein anderes Kind, so versteht er desto besser in dem Buche der Natur zu lesen. Sein

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