Emil oder Ueber die Erziehung
der Kinder in den ersten Lebensjahren in Paris bei Th. Hérissaut hatte erscheinen lassen, in welcher er mit großem Nachdruck und sogar mit glänzender Beredtsamkeit auf die Gefahren des Einwindelns für die Kinder, sowie auf die der übertriebenen Vorsichtsmaßregeln, welche man trifft, um dieselben auch vor dem geringsten Schmerz zu bewahren, und überhaupt auf alle die traurigen Folgen einer verweichlichenden Stubenerziehung hinweist. Er stützt sich ungefähr auf die nämlichen Thatsachen und Beobachtungen, die Rousseau im Emil anführt. Noch früher hatte schon Buffon, sowol über das Stillen seitens der Mütter, als auch über die schädlichen Folgen des Einwindelns durchaus dieselben Ideen entwickelt. Kurz, dieses ganze System der ersten Erziehungsweise ist nicht weniger genau festgestellt und hat sogar in einem ziemlich hervorragenden dichterischen Werke Ausdruck gefunden, nämlich in einem lateinischen Gedichte des Heil. Saint-Marthe, welches im Jahre 1698 erschien und den Titel Paidotrophia führte. Aber, wie Buffon selbst sagte: »Es ist wahr, gesagt haben wir das Alles, aber Rousseau allein befiehlt es und erzwingt sich Gehorsam.«
Uebrigens scheinen zu der Zeit, in welcher Rousseau seinen Emil schrieb, alle Fragen, welche mit der Erziehung im ersten Kindesalter in Verbindung stehen, die besten Geister beschäftigt und zu demselben Ergebnisse ihres Nachdenkens geführt zu haben. Die Harlemer Akademie der Wissenschaften hatte auf die Lösung dieser Fragen einen Preis ausgesetzt, welcher einem Genfer Namens Ballexerd zuerkannt wurde, dessen Werk unter dem Titel »Dissertation über die physische Erziehung der Kinder« in Paris veröffentlicht wurde und im nämlichen Jahre wie der Emil erschien. Die völlige Uebereinstimmung der Ansichten und Grundsätze ließ in Rousseau den Verdacht entstehen, daß man es hier lediglich mit einem Plagiat seines eigenen Werkes zu thun hätte, und scheute sich nicht, ihn in dem elften Buche seiner Bekenntnisse (Bd. I. S. 304) unumwunden auszusprechen. Wir haben die Nichtigkeit dieser Vermuthung durchaus nicht bestätigen können, denn mag die Uebereinstimmung auch noch so groß sein, so läßt sie sich doch auch noch anders als durch ein Plagiat erklären, da auch sonst schon andere Werke zuvor durchaus die nämlichen Ideen verfochten.
Anm. des H. Petitain.
[17] Wenn man im Plutarch liest, daß der Censor Cato, der Rom mit so großem Ruhme regierte, seinen Sohn von der Wiege an selbst erzog und zwar mit einer solchen Sorgfalt, daß er Alles verließ, um zugegen sein zu können, wenn die Amme, das heißt die Mutter, ihn wickelte und badete; wenn man im Sueton liest, daß Augustus, der Herr der Welt, die er erobert hatte und selbst regierte, seine Enkel selbst schreiben, schwimmen und die Elemente der Wissenschaften lehrte und sie beständig um sich hatte, so beschleicht Einen die Lust, über die guten Leutchen jener Zeit, die sich in dergleichen Possen gefielen, herzlich zu lachen; selbstverständlich waren sie viel zu beschränkt, um sich mit den großen Angelegenheiten der großen Männer unserer Tage befassen zu können.
[18] Vgl. die »Bekenntnisse«, 12. Buch, Bd. I. S. 314.
[19] Diese Idee theilte auch der Abbé Fleury, welcher verlangte, daß der Lehrer nach seiner äußeren Erscheinung wohl gebildet sei, gut rede und ein freundliches Gesicht habe. Anm. des Hl. Petitain.
[20] Bernardin de Saint Pierre erzählt in der Vorrede seines Werkes »Arcadien«, daß Rousseau eines Tages zu ihm sagte: »Wenn ich eine neue Ausgabe meiner Werke veranstalten sollte, würde ich mein Urtheil über die Aerzte mildern. Es gibt keinen Stand, welcher so gründliche Studien erfordert, wie der ihrige. In jedem Lande werden sie zu den gelehrtesten und gebildetsten Männern gehören.« Anm. des G. Petitain.]
[21] Ich kann nicht umhin, hierbei ein englischen Zeitschriften entlehntes Beispiel anzuführen, da es reichliche Gelegenheit darbietet, auf meinen Gegenstand bezügliche Betrachtungen anzustellen:
»Ein Privatmann, Namens Patrik Oneil, geboren 1647, verheirathete sich 1760 zum siebenten Male. Vom 17. Regierungsjahre Karls II. an diente er bis 1740, wo er verabschiedet wurde, unter den Dragonern, so wie sonst noch in verschiedenen anderen Truppentheilen. Er hat alle Feldzüge des Königs Wilhelm und des Herzogs von Marlborough mitgemacht. Dieser Mann hat nie anderes als einfaches Bier getrunken; seine Nahrung bestand ausschließlich aus Vegetabilien und nur bei einigen
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