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Emil

Emil

Titel: Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dror Burstein
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verspürte auch Emil Angst, und in derselben Nacht träumte er, sein Vater fahre ins Ausland, komme in ein Hotel, in dem man ihm sage, alles bestens, das Hotel sei vorzüglich und verfüge über eigene Hühner, jeden Morgen werde er ein frisch gelegtes, warmes Ei bekommen, nur ein Problem gebe es, an dem er sich aber nicht stören dürfe. Und er fragt, Was ist das Problem, und sie sagen, Sehen Sie selbst, und er geht in sein Zimmer hinauf über teppichbedeckte Korridore, einer trägt seinen Koffer und ein anderer leuchtet den Weg mit einem riesigen Kerzenständer, in dem eine riesige Kerze steckt, und ein Dritter öffnet mit einem altmodischen Eisenschlüssel die Tür zu seinem Zimmer, und drinnen sieht er im Kerzenschein einen Zwerg, ein achtoder neunjähriges Kind, doch blass und kahlköpfig, und sie sagen ihm, es werde mit im Zimmer schlafen.

Emil
    Dann kamen jene Jahre, in denen Emil ihm nicht mehr antwortete. In sein Zimmer ging und erst herauskam, wenn der Vater eingeschlafen war. Einmal musste er ihn aus dem Arrest auslösen. Am Telefon fragten alle möglichen Stimmen nach ihm. Er war siebzehn, bald würde er achtzehn werden. Das gefährliche Alter. Das schreckliche Alter. Ja, das Alter für die ›Akteneinsicht‹. Joel hatte keine Ahnung. Und Emil hatte schon alles vorausgeplant. In seinem Taschenkalender seinen Geburtstag angezeichnet. Gleich am Tag darauf würde er hingehen. Sofort am Tag darauf. Um sechs aufstehen. Oder um fünf. Er wusste schon, wohin er zu fahren hatte. Würde alle seine Dokumente mitnehmen. Auch Leas Totenschein, den er einmal unter dem Transistorradio des Vaters gesehen und an sich genommen hatte. Kinderfotos würde er mitnehmen. Die Haarlocke, die seine Mutter ihm vor dem ersten Friseurbesuch abgeschnitten und in einen Umschlag gelegt hatte. Die Zeichnung mit dem Engel würde er mitnehmen. Alles würde er in eine Mappe legen und aufs Amt gehen. Dort würden sie alles überprüfen. Fingerabdrücke abnehmen. Vielleicht Blut. Sollten sie doch machen, was nötig war. Ich bin sogar bereit, dort zu übernachten. Nur damit sie mir zum Schluss die Akte zeigen. Er stellte sich jenen Moment immer wieder vor. Wie der Beamte – er wusste genau, wie der Beamte aussehen würde – die Akte lesen, den Kopf heben und Emil anblicken würde. Und wieder auf und ab. Wie bei der Passkontrolle am Flughafen. Und wenn schließlich alle Zweifel beseitigt wären, würde er den Stempel auf die Akte drücken. Einige Augenblicke würden vergehen. Wie würde es weitergehen? Würde der Beamte die Namen auf einen Zettel schreiben und ihm diesen übergeben? Würde man ihm die Originalakte zur Einsicht geben? Und was würde er dort sehen? Bilder? Von wem? Würde es eine dicke Akte sein? Mit einem Gummiband? Würde ein Brief drin liegen, den jemand – seine Eltern – ihm vor achtzehn Jahren hinterlegt hätte? Würde er den Brief gleich vor dem Beamten lesen? Oder eher hinausgehen? Wo würde er ihn lesen? Und was, wenn er die Handschrift nicht entziffern könnte? Oder würden die Eltern schon auf der anderen Seite des Schalters auf ihn warten? Hinter einem Paravent, den er erst jetzt bemerken würde, und hinter dem plötzlich ihre Schuhe herausschauten? Und der Beamte würde fragen: Kann ich sie rufen? Bist du sicher? Ich bringe sie jetzt herein, bist du dir ganz sicher?, und Emil würde nicken, und er würde auf eine Art Knopf an der Wand drücken, und die Tür würde sich öffnen. Und was dann? Würde es dort eine Cafeteria geben für Zusammenkünfte dieser Art? Würde er ihnen die Hand schütteln? Oder sie küssen? Würde er sie überhaupt berühren können? Er öffnete den Kalender. Als ob er nicht wüsste, wann er geboren war. Prüfte noch einmal nach. Bald würde er siebzehneinhalb sein. Noch ein halbes Jahr. Vielleicht warteten sie dort auf ihn, würden bereits draußen auf ihn warten, und jede amtliche Prozedur wäre überflüssig? Würden ihn einfach sehen, erkennen, ihn sanft umarmen, und sie würden einfach gemeinsam von dort weggehen? Aber vielleicht würden sie gewalttätig sein, ihn womöglich schlagen? Beschimpfen? Ob sie wohl kleiner sind als ich, fragte er sich bestürzt, sind sie schon kleiner als ich?

[ ]
    Die Haut an ihren Fingern ganz nahe an den Kaktusstacheln. Auf der Treppe an diesem heißen Oktobertag kühler Schatten. Das Geräusch der auf der nahen Autobahn vorbeifahrenden Autos glich dem Brummen der Klimaanlage, das den Schlaf der Träumenden einhüllt. Wie so oft fühlte sie das

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