Emilia - Herzbeben

geträumt?«
    »Ja«, nickte Walt. »Und sie haben ihr immer versucht einzureden, dass sie sich danach an nichts erinnern können würde. Sie haben sie versucht zu hypnotisieren. Aber es funktionierte nicht. Sie wusste noch jedes Detail. Jedenfalls«, fuhr Walt fort, während er zu dem Foto des Mädchens ging, »hat sie meinen Rat befolgt. Eines Nachts, als die Vampire wieder kamen, hat sie auf sie eingeschlagen. Sie haben sie zwar gebissen, doch sie hat es geschafft sie in die Flucht zu schlagen. Am nächsten Morgen«, er hielt kurz inne und sah Sylvias Bild an, »ist sie blutüberströmt aufgewacht.«
    Mia riss erschrocken die Augen auf. »Was??«
    »Ihr Hals war aufgerissen und ihre Fingerknöchel waren blutig, sie hatte Schnittwunden an den Armen und Beinen. Ihre Eltern haben sie natürlich sofort ins Krankenhaus gebracht. Niemand konnte sich den Vorfall erklären. Das Einzige, was ihnen einfiel, war, dass sie sich diese Verletzungen selbst zugefügt hatte. Daraufhin wurde sie psychologisch behandelt.«
    Mia sah ihn empört an. »Wieso sollte sie sich so etwas selbst antun?«
    »Das hat sie nicht«, sagte Walt kopfschüttelnd. »Ich habe sie damals im Krankenhaus besucht und sie hat mir heimlich, als niemand in der Nähe war und zuhörte, voller Stolz berichtet, dasssie meinen Rat befolgt hat. Dass sie sich gegen diese Wesen gewehrt hat. Und sie hat mir auch gesagt, wie sie das getan hat.« Er machte ein geheimnisvolles Gesicht und hob die Augenbrauen. »Sie hat zunächst auf sie eingeschlagen. Als das jedoch nicht gewirkt hat und sie sie weiterhin angegriffen haben, hat sie ihre Hand gehoben«, Walt hob ebenfalls eine Hand und drehte die Handfläche nach oben, »und auf sie geschossen.«
    Mia runzelte verwirrt die Stirn.
    »Ich habe nicht verstanden, was sie damit gemeint hat, also hat sie es mir gezeigt. In ihrer Handfläche«, er sah jetzt seine eigene Hand an und bewegte die Finger dabei, »ist eine Art Licht entstanden. Wie ein kleiner Energieball schwebte es über ihrer Hand, leuchtete und zuckte. Ich habe fassungslos mit dem Finger hinein gestochen und einen Schlag bekommen. Da hat sie gelacht und mir erzählt, dass sie diese Fähigkeit schon lange hatte, dass sie ihren Eltern aber nie etwas davon erzählt hat, weil sie nicht an Übersinnliches glaubten. Daraufhin kamen immer mehr Schüler zu mir, die mir anvertrauten, dass sie über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügten. Es sprach sich herum, dass ich Verständnis dafür hatte. Und so kam es, dass sich diese Schüler um mich herum versammelt haben, auf meine Schule wechselten und sich dort gegenseitig austauschten. Irgendwann habe ich gezielt nach ihnen gesucht und heimliche Unterrichtsstunden eingeführt, in denen sie ihre Fähigkeiten trainieren konnten. Es sind bereits so viele, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Nicht nur auf meiner Schule, sondern überall.«
    Mia sah ihn erstaunt an. Jetzt verstand sie, warum er den P-Bereich der Schule eingerichtet hatte. Er wollte vermutlich nicht, dass diese Schüler von den anderen Schülern gemobbt wurden. Sie waren Außenseiter und er wollte sie beschützen. Vielleicht hatte er Mia deshalb in diesen Bereich der Schule gesteckt. Weil er wusste, dass sie ebenfalls eine Außenseiterin war. Sie sah erneut das Bild des Mädchens an. Irgendwie tat sie ihr leid. Sie war noch so jung, vielleicht gerade 12 Jahre alt, und schon so traurig. Genauso wie sie. »Was ist aus ihr geworden?«, fragte Mia.
    Walt seufzte jetzt missmutig. »Ihre Eltern haben sie von der Schule genommen und woanders angemeldet. Sie dachten, ichhätte einen negativen Einfluss auf sie gehabt. Sie haben mich beschuldigt ihre Psyche zerstört zu haben. Es muss ja immer einen Schuldigen geben«, sagte er grummelnd.
    Mia sah ihn mitfühlend an und fragte dann vorsichtig: »War sie denn wirklich verrückt?«
    Jetzt drehte Walt den Kopf zu ihr um. »Was glaubst du?«
    Mia dachte nach und betrachtete sich Sylvia. Vielleicht war man ja mit einer übersinnlichen Begabung anfälliger für Psychosen, dachte sie. Andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie sich selbst solch schreckliche Dinge angetan haben sollte. Und das auch noch mit 12 Jahren. Das mussten ja schlimme Psychosen sein. Aber, wenn sie es nicht getan hatte, was war dann mit ihr passiert? Sie schüttelte mit dem Kopf, woraufhin Walt lächelnd nickte.
    »Habe ich mir gedacht«, sagte er. »Nein, sie ist nicht verrückt«, beantwortete er nun ihre Frage. »Sie hat, wie fast jeder