Emilia - Herzbeben
Alva mit einer dicken weißen Kerze wieder, stellte sie auf den Tisch und zündete sie an. Jona legte indessen seine Arme auf den Tisch, wobei Mia sein schwarzes Armband auffiel. Sie erinnerte sich, dass Mike auch solch ein Armband trug. Es war ihr aufgefallen, weil es im Kontrast zu seiner weißen Kleidung das einzige Schwarze an seinem Körper gewesen war. Als sie unauffällig Nadjas Arme betrachtete, bemerkte sie auch an ihrem Handgelenk dieses Armband.
»Gut«, sagte Alva. »Dann fangen wir mal an.« Sie setzte sich jetzt ans äußere Ende des Tisches, faltete ihre Hände und sah Mia an. »Also, was war das genau für eine Vision?«
Mia sah verunsichert hin und her. Alle blickten sie erwartungsvoll an. Doch sie traute sich nicht, den Mund aufzumachen.
»Konntest du sehen, wo es war, Mia?«, fragte Alva jetzt.
»Auf einem Feld«, antwortete Mia leise und mit gesenktem Kopf. »Ich glaube, es war hier in der Nähe. Es … hat sich so angefühlt.«
»Zukunftsvisionen«, begann sie jetzt zu erklären, »vermischen sich manchmal mit dem hellseherischen Blick in die Vergangenheit oder die Gegenwart, da Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart gleichzeitig existieren und stattfinden.«
Etwas Ähnliches hatte ihr Jona auch gesagt. Vielleicht hatte sie tatsächlich etwas aus der Vergangenheit gesehen! Sie dachte anJonas Vater, der ihn ablehnte, weil er anders war. Das musste eine Szene aus der Vergangenheit gewesen sein. Oder war auch das nur ein Hirngespinst gewesen? Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass sie hellseherische Fähigkeiten besaß.
»Vermutlich sind einige Bilder auf dich eingeprasselt, deren Zeit du nicht bestimmten konntest, habe ich Recht?«
Mia sah sie nur groß an und Alva nickte lächelnd. »Damit steht dir eine Gabe zur Verfügung, um die dich viele beneiden werden. Der Blick in die Zukunft«, sagte Alva. »Das kann außer dir nur Jona.«
Mia sah ihn an, doch sein Blick ruhte auf der Tischplatte. Sein ganzer Körper schien eine einzige Anspannung zu sein. Selbst seine Kiefermuskeln spannten sich an und die Muskeln an seinen Armen. Sie traten hervor, als er seine Hand zur Faust ballte. »Nein«, sagte Mia auf einmal, woraufhin er überrascht zu ihr aufsah, »das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Es gibt keine … Schatten, oder was immer das für ein Ding war.«
»Sie sind so real wie du, Mia«, sagte Alva jetzt sanft aber bestimmt. »Sie existieren schon so lange wie die Menschheit selbst. Und sie sind nicht die einzigen Wesen deren Existenz geheim gehalten wird.« Sie holte tief Luft und sah kurz Walt an, der ihr zunickte. Erst dann fuhr sie fort. »Es tut mir leid, Schatz. Ich will dir keine Angst machen. Aber du musst es erfahren, denn es kann jederzeit passieren, dass du einem von ihnen begegnest. Und da du jetzt diese Vision hattest, müssen wir damit rechnen.« Jetzt lehnte sie sich zu Mia vor. »Diese Welt ist nicht so, wie du glaubst, Mia. Man wird geboren, wächst heran und einem wird eine Welt gezeigt, von der man glaubt, sie sei real. Aber das ist sie nicht. Sie ist nur eine Fassade, um die Wirklichkeit zu verschleiern. Viele Menschen werden diese Fassade niemals lüften, aber wir«, sie deutete jetzt mit einer Handbewegung auf alle, die an diesem Tisch saßen, »und einige mehr, kennen die Wahrheit. Zumindest einen Teil davon. Und wir versuchen uns zu schützen.«
Mia sah sie skeptisch an und blickte dann Nadja an, die ihr nur zunickte. Jetzt kam ihr diese ganze Sache doch wie eine Sekte vor. Was wollte sie damit sagen? Dass sie sich vor bösen Wesenschützten? Waren sie so etwas wie ein Geheimbund von Leuten, die Dinge sehen konnten, die normale Menschen nicht sahen? Das Ganze wurde ihr ihr immer unheimlicher.
»Mia, glaub mir, Schatz«, sagte Walt auf einmal, »ich konnte diesen Schwachsinn am Anfang auch nicht glauben. Ich habe Alva für verrückt gehalten, wenn sie von dem Bösen gesprochen hat.« Bei dem Wort Bösen hob er die Hände und formte mit seinen Fingern zwei Gänsefüßchen. Alva verdrehte währenddessen die Augen und schmunzelte. Doch dann stützte Walt seine Ellenbogen auf dem Tisch ab und sah Mia eindringlich an. »Bis ich ihnen begegnet bin«, sagte er dann und machte einen langen Moment Pause. Danach deutete er auf sein Gesicht.
Mia riss erschrocken die Augen auf und betrachtete seine Narben. Ihre Mutter hatte ihr immer eingehämmert, dass sie ihn nie darauf ansprechen sollte. »Mama hat gesagt, dass du von einem Tier
Weitere Kostenlose Bücher