Emilia - Herzbeben
nicht so bist.«
»Es hat uns schon stutzig gemacht«, fügte Mike hinzu, »dass du diese Vision hattest. Und jetzt das . Ich glaube in dir steckt noch viel mehr. Und ich denke, er weiß davon.«
Mia schluckte. Es regnete mittlerweile ziemlich stark und sie waren alle drei bereits klatschnass. Doch das war ihnen egal. Mia versuchte ihre Gedanken zu ordnen und holte tief Luft. Wenn das stimmte und ihr Großvater wusste, dass sie so war, dann war das eine Erklärung dafür, dass er sie in diesen P-Bereich der Schule gesteckt hatte. Aber das war immer noch keine Erklärung dafür, dass sich ihre Augenfarbe verändert hatte! Sie konnte damitumgehen, wenn sie tatsächlich übersinnliche Kräfte besaß. Aber was war mit ihr los, dass ihre Augen ihre Farbe änderten, als seien sie Stimmungsringe? Mia deutete verzweifelt und etwas beschämt auf ihre Augen. »Und was für eine Erklärung habt ihr dafür ? Das kann wohl kaum eine Begabung sein, oder?«
Sie tauschten einen Blick und sahen Mia dann ratlos an. »Ich habe so etwas noch nie gesehen«, sagte Nadja. »Aber irgendetwas ist mit dir los, das Walt verbergen will.«
Mike deutete jetzt auf seinen Wagen. »Lasst uns erst mal hier abhauen.« Während sie einstiegen, klingelte Nadjas Handy. Als sie ran ging, hörte Mia Jonas Stimme. Und sie hörte sie so deutlich, als würde sie mit ihm telefonieren.
»Es kann sich niemand an Aina Emgau erinnern«, sagte er.
»Ihr wart schon dort?«, fragte Nadja überrascht.
»Wir sind noch hier. Aber nicht einmal der Chefredakteur, der schon 40 Jahre lang hier arbeitet, erinnert sich an sie. Und das, obwohl er total besessen von diesen Stadtportraits ist, die sie geschrieben hat. Das war wirklich schräg. Er hat krampfhaft versucht sich ihr Gesicht in Erinnerung zu rufen, aber es ist alles weg. Wie gelöscht.«
»Gelöscht?«, Nadja stutzte und sprach leiser weiter, während Mike los fuhr. »Du meinst …«
»Ja«, sagte Jona. »Als hätte ihnen jemand Ainas Gesicht aus dem Gehirn radiert. Sie wissen noch, dass sie dort gearbeitet hat, aber sie erinnern sich nicht mehr an sie.«
»Aber, warum sollte …« Plötzlich hielt Nadja inne, starrte durch die Windschutzscheibe in den strömenden Regen und schrie: »Mike, STOPP!«
Mike, der gerade an seinem Radio gespielt hatte, trat mit voller Wucht auf die Bremse, denn direkt vor ihnen standen zwei Personen mitten auf der Straße. Ein Mann mit einem großen Schwert und eine Frau mit langen, schwarzen Haaren. Beide hatten pechschwarze Augen, waren blutüberströmt und blickten wütend in den Wagen, der auf der nassen Fahrbahn direkt auf sie zu schlidderte. Als er ihnen gefährlich nahe kam, schlug die Frau mit einer Faust auf die Motorhaube, woraufhin sich der Wagen in die Luft erhob und sich über ihren Köpfen mehrmals überschlug.
19
Es war, als habe jemand den Wagen, nachdem er durch die Luft geschleudert worden war, sanft wieder auf die Reifen gesetzt. Mia war schwindelig, doch sie hatte keine Gelegenheit sich zu orientieren oder nach ihren Freunden zu sehen, denn sie spürte, wie jemand an ihr riss und sie aus der Hintertür herauszog. Jemand hielt ihre Hand und zerrte sie mit sich. Sie stolperte mehrere Schritte über den nassen Asphalt und wurde dann ruckartig angehalten.
»Bleib hinter mir«, sagte eine vertraute Stimme.
Sie sah auf und blickte jemandem direkt auf den Rücken. Es war alles noch verschwommen und schwankte hin und her. Doch sie konnte eine Lederjacke erkennen und breite Schultern. Sie kannte diese Lederjacke! Und sie kannte diese Stimme! Sie hatte zu ihr gesprochen, als sie ohnmächtig geworden war. Dann hörte sie Mike rufen. Er taumelte ebenfalls aus dem Wagen und lief zu Mia. Nadja war wenige Sekunden später auch da. Sie stellten sich beide vor den Mann mit der Lederjacke und ließen ihre Armbandwaffen aufklappen. Als Mia ein Stück zur Seite trat, sah sie endlich, was los war. Die beiden, die gerade noch vor dem Wagen gestanden hatten, standen jetzt direkt vor ihnen und blickten sie mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen an. Die Frau war schön. Wunderschön. Das konnte man trotz der Blutspritzer sehen, die im Regen verliefen und lange Schlieren über ihr Gesicht zogen. Und der Mann sah ihr sehr ähnlich. Er war groß und wirkte gefährlich. Ihre tief schwarzen Augen erinnerten Mia sofort an ihren Vater. Der Mann musterte Mike und Nadja und verzog vor Wut sein Gesicht, als Mike seinen Arm mit der Waffe unauffällig nach hinten bewegte, um auszuholen.
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