Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)
Earnshaw beschloss, hinauszugehen und ihn zu fragen, warum er nichts äße; er glaubte, wir hätten ihn vielleicht erzürnt.
»Nun, kommt er?« rief Catherine, als ihr Vetter zurückkehrte.
»Nein«, war seine Antwort, »er ist nicht böse; er sah eher vergnügt aus, er wurde nur ungeduldig, weil ich ihn zweimal ansprach; und dann schickte er mich weg zu dir: er wunderte sich, dass ich überhaupt mit jemand anders zusammensein mochte.«
Ich setzte seinen Teller am Kamingitter warm, und nach ein paar Stunden, als das Zimmer leer war, kam er wieder herein, jedoch um nichts ruhiger: mit demselben — ich kann es nicht anders nennen — unnatürlichen Ausdruck der Freude unter seinen dunklen Brauen, demselben blutleeren Gesicht und einem ab und zu darüberhuschenden geisterhaften Lächeln; der ganze Mann zitterte, nicht wie bei einem Schüttelfrost oder Schwächeanfall, sondern so, wie eine stark gespannte Saite bebt; es war eher ein heftiges Erschauern aus Freude als ein Zittern.
›Ich will ihn fragen, was ihn erregt‹, dachte ich, ›denn wer sollte es sonst tun?‹ Und ich sprach ihn an: »Haben Sie eine freudige Nachricht erhalten, Mr. Heathcliff? Sie sehen ungewöhnlich munter aus.«
»Woher sollten gute Nachrichten für mich kommen?« sagte er. »Ich bin vor Hunger aufgeregt, aber es scheint, dass ich nicht essen darf.«
»Ihr Essen steht hier«, erwiderte ich; »warum wollen Sie es nicht haben?«
»Ich mag jetzt nichts«, murmelte er hastig, »ich will bis zum Abendbrot warten. Und Nelly, ein für allemal: halte mir bitte Hareton und die anderen fern. Ich will von niemand gestört werden; ich möchte diesen Raum für mich allein haben.«
»Haben Sie einen besonderen Anlass dazu, dass Sie alle von sich verbannen?« forschte ich. »Sagen Sie mir, warum Sie so seltsam sind, Mr. Heathcliff! Wo waren Sie vorige Nacht? Ich frage bestimmt nicht aus müssiger Neugier, aber…«
»Du stellst diese Frage aus sehr müssiger Neugier«, unterbrach er mich lachend. »Ich will dir aber Antwort darauf geben. Vorige Nacht war ich am Tor der Hölle. Heute sehe ich meinen Himmel vor mir. Ich lasse meine Augen darauf ruhen: kaum drei Schritte trennen mich von ihm! Und nun geh lieber. Du wirst weder etwas Beängstigendes hören noch sehen, wenn du dich aller Nachforschungen enthältst.«
Nachdem ich das Feuer in Gang gebracht und den Tisch abgewischt hatte, zog ich mich, bestürzter denn je, zurück.
An diesem Nachmittag verließ er das Haus nicht wieder, und niemand störte seine Einsamkeit, bis ich es um acht Uhr, obwohl er nichts verlangt hatte, für richtig hielt, ihm eine Kerze und sein Abendbrot hineinzutragen. Er lehnte an einem offenen Fenster, ohne jedoch hinauszusehen; sein Gesicht war der Dunkelheit drinnen zugewendet. Das Feuer war erloschen, der Raum erfüllt von der feuchten, milden Luft des bewölkten Abends, und es war so still, dass man nicht nur das Rauschen des Bachs unten in Gimmerton hören konnte, sondern auch sein Plätschern und Gurgeln an den Steinen, die er nicht überfluten konnte. Ich stiess einen Laut des Missbehagens aus, als ich die tote Asche im Kamin sah, und machte mich daran, die Fenster der Reihe nach zu schließen, bis ich an seines kam.
»Darf ich es schließen?« fragte ich, um ihn aufzuwecken, denn er rührte sich nicht.
Das Kerzenlicht huschte über sein Gesicht, während ich sprach. Oh, Mr. Lockwood, ich kann Ihnen nicht beschreiben, welch furchtbarer Schreck mich bei seinem Anblick packte. Diese tief eingesunkenen schwarzen Augen, dieses geisterhafte Lächeln und die Leichenblässe! Nicht Mr. Heathcliff schien vor mir zu stehen, sondern ein Gespenst, und in meiner Bestürzung ließ ich die Kerze gegen die Wand sinken, wo sie erlosch und mich im Dunkeln ließ.
»Ja, schließe es«, antwortete er mit seiner gewohnten Stimme. »Wie ungeschickt du bist! Warum hast du die Kerze waagerecht gehalten? Hol schnell eine andere!«
Ich eilte in einem Zustand törichten Schreckens hinaus und sagte zu Joseph: »Du sollst dem Herrn ein Licht hineintragen und das Feuer wieder anzünden«, denn ich selbst wagte mich im Augenblick nicht wieder zu ihm hinein.
Joseph tat etwas Glut auf die Schaufel und ging, kam aber sogleich damit zurück, trug das Brett mit dem Abendbrot in der anderen Hand und brachte mir den Bescheid, dass Mr. Heathcliff zu Bett ginge und bis zum folgenden Morgen nichts zu essen wünschte. Gleich danach hörten wir ihn hinaufgehen: er ging nicht in sein eigenes Zimmer,
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