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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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mich hören wollten, ohne ärgerlich zu werden, möchte ich Ihnen einen Rat geben, der Sie glücklicher machte.«
    »Was ist es? Sag es nur!«
    »Sie werden zugeben, Mr. Heathcliff, dass Sie von der Zeit an, als Sie dreizehn Jahre alt waren, ein selbstsüchtiges und unchristliches Leben geführt haben und dass Sie seitdem wahrscheinlich nie eine Bibel in den Händen gehabt haben. Sie müssen vergessen haben, was darin steht, und jetzt haben Sie vielleicht keine Zeit mehr, es nachzuholen. Könnte es da etwas schaden, einen Geistlichen, einerlei von welchem Bekenntnis, holen zu lassen, der es Ihnen auslegt und Ihnen klarmacht, wie sehr weit Sie von den christlichen Lehren abgewichen sind und wie wenig Sie in den Himmel passen, falls kein Wandel in Ihnen vorgeht, bevor Sie sterben?«
    »Ich bin eher dankbar als ärgerlich darüber, dass du mich daran erinnerst, festzusetzen, wie ich begraben sein will, Nelly«, sagte er: »Es soll am Abend sein. Du und Hareton, ihr mögt meinen Sarg begleiten, wenn ihr wollt. Und vor allem denk daran, dass der Totengräber meine Anweisungen befolgt, was die beiden Särge anbelangt! Es soll kein Geistlicher dabeisein und kein Segen gesprochen werden: — Ich sage dir: ich bin beinahe in meinem Himmel angelangt, und der anderer Leute hat weder Wert für mich, noch gelüstet es mich nach ihm.«
    »Und wenn Sie nun bei Ihrem eigensinnigen Fasten bleiben und daran sterben und man würde sich weigern, Sie innerhalb der Friedhofsmauern zu begraben?« sagte ich, entsetzt über seine gottlose Gleichgültigkeit: »Wie würde Ihnen das gefallen?«
    »Das werden sie nicht tun«, erwiderte er, »und wenn sie es täten, dann müsstest du mich heimlich dort beisetzen lassen, wo ich liegen will. Und wenn du es versäumst, dann wirst du der Welt den Beweis dafür liefern, dass die Toten weiterleben!«
    Sobald er merkte, dass die anderen Hausbewohner aufstanden, zog er sich in sein Zimmer zurück, und ich atmete auf. Aber am Nachmittag, als Joseph und Hareton an ihre Arbeit gegangen waren, kam er wieder in die Küche und forderte mich mit einem verstörten Blick auf, bei ihm im ›Haus‹ zu sitzen; er brauche einen Menschen. Ich weigerte mich und sagte ihm rundheraus, dass sein seltsames Wesen und seine Reden mich erschreckten und dass ich nicht die Nerven und auch nicht die Absicht hätte, ihm allein Gesellschaft zu leisten.
    »Ich glaube, du hältst mich für den bösen Feind in Person«, sagte er mit seinem schrecklichen Lachen, »zu scheusslich, um unter einem anständigen Dach zu wohnen.« Dann wendete er sich an Catherine, die dabeistand und bei seinem Näherkommen sich hinter mich geflüchtet hatte, und fügte halb spöttisch hinzu: »Willst du zu mir kommen, Kleine? Ich tue dir nichts! Nein, dir gegenüber habe ich mich wirklich schlimmer als der Teufel betragen. Nun, da ist wenigstens eine, die nicht vor meiner Gesellschaft zurückschreckt! Bei Gott, sie ist unbarmherzig. Verdammt! Das ist wahrhaftig zu unerträglich für ein Wesen aus Fleisch und Blut, sogar für eines von meinem Schlag!«
    Von da an mied er die Gesellschaft jedes Menschen.
    Als die Dämmerung hereinbrach, ging er in sein Zimmer. Die ganze Nacht hindurch bis weit in den Morgen hörten wir ihn stöhnen und Selbstgespräche führen. Hareton wollte zu ihm hineingehen, aber ich sagte ihm, er solle Doktor Kenneth holen, und der sollte zu ihm gehen und nach ihm sehen. Als der Arzt da war und ich um Einlass bat und versuchte, die Tür zu öffnen, war sie verschlossen, und Heathcliff fluchte drinnen: Es ginge ihm besser, und er wolle allein bleiben, wir sollten uns zum Teufel scheren. So ging der Doktor unverrichteter Sache wieder weg.
    Der nächste Abend war sehr feucht, es goss in Strömen bis zur Morgendämmerung. Als ich meinen Rundgang um das Haus machte, sah ich, dass das Fenster des Herrn weit offenstand und dass es dort stark hineinregnete. ›Er kann nicht im Bett sein‹, dachte ich, ›diese Regengüsse würden ihn völlig durchnässen. Er muss entweder aufgestanden oder ausgegangen sein. Aber nun mache ich keine Umstände mehr; ich gehe einfach hinein und sehe nach.‹
    Ich verschaffte mir mit Hilfe eines anderen Schlüssels Einlass und lief rasch zum Wandbett, um die Täfelung beiseite zu schieben, denn das Zimmer war leer. Schnell sah ich hinein: Mr. Heathcliff war da, er lag auf dem Rücken. Seine Augen sahen mich so durchdringend und wild an, dass ich erschrak; aber dann schien er zu lächeln. Ich konnte nicht glauben,

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