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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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graue Viereck des Fensters wahrnahmen, glaubte ich, ich wäre in dem eichengetäfelten Bett zu Hause eingeschlossen und mein Herz schmerzte vor schwerem Kummer, doch konnte ich mich beim Erwachen seiner nicht entsinnen. Ich überlegte und quälte mich, um herauszubekommen, was es sein konnte, und seltsamerweise waren die letzten sieben Jahre meines Lebens ausgelöscht. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie überhaupt gewesen waren. Ich war ein Kind; mein Vater war gerade beerdigt, und mein Elend entsprang der Trennung, die Hindley über mich und Heathcliff verhängt hatte. Zum ersten Male hatte ich allein im Zimmer geschlafen, und als ich nach einer durchweinten Nacht aus einem quälenden Schlummer erwachte und die Hand hob, um die Täfelung beiseite zu schieben, berührte ich die Tischplatte! Ich tastete am Teppich entlang, und plötzlich stürzte die Erinnerung auf mich ein, und mein im Traum ausgestandener Schmerz ging in einen Anfall von Verzweiflung über. Ich kann nicht sagen, warum ich mich so über alle Maßen elend fühlte; es muss vorübergehende Geistesgestörtheit gewesen sein, ein anderer Grund ist kaum vorhanden. Aber wenn du dir vorstellst, dass mir mit zwölf Jahren mein Zuhause, jede Kindheitserinnerung und mein ein und alles — denn das war Heathcliff damals — entrissen worden war und ich mit einem Schlage in Mrs. Linton, die Herrin von Thrushcross Grange und die Frau eines Fremden, verwandelt worden war, verbannt und verstoßen von allem, was bis dahin meine Welt gewesen war, dann kannst du vielleicht annähernd ermessen, was für einen Abgrund ich vor mir sah! Du kannst deinen Kopf schütteln, soviel du willst, Nelly, du hast mitgeholfen, mich von Sinnen zu bringen. Du hättest mit Edgar sprechen müssen, wirklich, das hättest du tun sollen, und ihn zwingen, mich in Ruhe zu lassen. Oh, ich verbrenne! Ich wünschte, ich wäre draussen. Ich wünschte, ich wäre wieder ein Mädchen, halb wild und verwegen und frei, das über Kränkungen lacht und nicht den Verstand darüber verliert. Warum bin ich so verändert? Warum braust mein Blut beim geringsten Wort in höllischem Aufruhr? Ich bin überzeugt, ich würde wieder ich selbst sein, wenn ich nur einmal in der Heide dort auf den Hügeln sein könnte. Öffne das Fenster noch einmal weit, lass es offen! Schnell, schnell, warum zögerst du?«
    »Weil ich nicht will, dass Sie sich auf den Tod erkälten«, antwortete ich.
    »Weil du mir nicht die Möglichkeit geben willst, zu leben, meinst du wohl«, sagte sie finster. »Ich bin aber noch nicht hilflos, ich werde es selbst öffnen.«
    Und bevor ich es verhindern konnte, glitt sie aus dem Bett, taumelte schwankend durch das Zimmer, riss das Fenster auf und lehnte sich hinaus, unbekümmert um die Frostluft, die ihr wie mit Messern in die Haut schnitt. Ich flehte sie an und versuchte, sie zurückzuhalten. Aber die Kraft, die ihr der Wahnsinn verlieh, war der meinen überlegen (und dass sie wahnsinnig war, davon überzeugten mich ihre späteren Handlungen und Phantasien). Der Mond schien nicht; drunten lag alles in verschwommener Finsternis: aus keinem Hause, ob nah oder fern, schimmerte Licht, überall war es schon lange gelöscht worden, und die Lichter von Wuthering Heights waren gar nicht zu sehen; und doch behauptete sie, sie könne ihren Schein wahrnehmen.
    »Sieh«, rief sie eifrig, »das ist mein Zimmer mit der Kerze darin und den schwankenden Bäumen davor — und die andere Kerze brennt in Josephs Bodenkammer —, Joseph bleibt lange wach, nicht wahr? Er wartet, bis ich nach Hause komme, damit er die Pforte abschließen kann — nun, er wird noch eine Weile warten müssen. Es ist eine beschwerliche Wanderung, wenn man sie mit traurigem Herzen unternimmt; wir müssen an dem Friedhof von Gimmerton vorbei auf unserem Weg. Wir haben seinen Geistern oft gemeinsam getrotzt und haben uns gegenseitig dazu ermutigt, mitten zwischen den Gräbern zu stehen und sie zu beschwören. Aber, Heathcliff, wenn ich dich jetzt dazu aufforderte, würdest du es wieder wagen? Wenn du es tust, werde ich dich dabehalten. Ich will nicht allein dort liegen. Und wenn sie mich drei Meter tief begraben und noch die Kirche auf mich herunterstürzen, ich werde doch keine Ruhe haben, bis du bei mir bist. Niemals!«
    Sie hielt ein und fuhr dann mit einem seltsamen Lächeln fort: »Er überlegt es sich — er möchte lieber, dass ich zu ihm komme. Ich suche einen anderen Weg. Nicht durch den Friedhof dort… Du bist

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