Emma - endlich vom Glück umarmt
Geringste aus ihm! Er ist ein Quälgeist. Du bist doch diejenige, die ihm so dreiste Avancen macht, und er ermutigt dich auch noch! Ich wollte ihn nur verbinden. Wenn …“, sie unterbrach sich, denn Amy musste nicht erfahren, dass Hawthorne sie praktisch erpresst hatte, „… wenn du ihm nicht nachliefest, gäbe es solche Situationen nicht.“
„Was? Wenn du dich nicht eingemischt hättest, wäre ich vielleicht schon mit ihm verlobt!“
Fassungslos starrte Emma ihre Schwester an. „Er wird nicht um dich anhalten, das weißt du! Genau wie du weißt, dass Papa ihn ablehnen würde!“
„Woher willst du das wissen?“
Vorsichtig sah Emma sich nach eventuellen Zuhörern um, da sie beide die Stimme erhoben hatten, doch nur der blonde Gentleman beobachtete sie von Weitem. Verärgert sagte sie: „Das alles müsste nicht sein, wenn du diesem netten jungen Mann da drüben ein wenig Aufmerksamkeit schenktest.“
Amy sah sich um. „Du meinst Mr. Chevalier? Sein Vater ist Geschäftsmann.“
„Und unser Vater ist verschuldet! Wir können uns keinen Hochmut erlauben.“
„Was bedeutet, dass ich doch an den Höchstbietenden verhökert werde!“
Emma verkniff sich eine wütende Antwort. „Amy, nicht hier! Wir erregen Aufmerksamkeit. Verschieben wir das auf später, wenn wir unter uns sind.“
Mit einem letzten giftigen Blick marschierte Amy davon, blieb dann jedoch bei Mr. Chevalier stehen, was Emma erleichtert zur Kenntnis nahm. Zumindest schien ihre kleine Schwester den jungen Mann nicht abstoßend zu finden. Wenigstens ein Lichtblick.
15. KAPITEL
Emma legte vor dem Spiegel letzte Hand an ihr Äußeres. Sie zupfte ein paar Löckchen zurecht, kniff sich in die Wangen, um nicht bleich wie ein Gespenst auszusehen, und glättete zuletzt den Rock ihres lavendelfarbenen Kleides, wobei ihr Blick kurz ihren Hals streifte. Nun, die Perlen waren fort, damit musste sie sich ein für alle Mal abfinden. Als Ersatz diente wieder einmal der bewährte Schal mit dem Paisley-Muster.
Entschlossen schob sie weitere Gedanken an ihr Aussehen beiseite. Sie hatte sich nie stundenlang herausgeputzt und würde nicht jetzt damit anfangen; es ging ihr einfach nur darum, präsentabel zu erscheinen.
Während der letzten Tage – eigentlich seit Lady Johnstones vertraulichen Enthüllungen – interessierte sie sich mehr und mehr für Charles Hawthorne, was ihr nicht guttat. Er hatte sowieso eine viel zu intensive Wirkung auf sie, und umso gefährlicher wurde er ihr, seitdem sie von seiner Vergangenheit wusste. Dass er, nachdem er tiefer nicht fallen konnte, seiner Spielleidenschaft abgeschworen und sein Leben geändert hatte, rang ihr unwillkürlich Respekt ab.
Bei dem Gedanken, ihn gleich zu sehen, rann ihr ein erwartungsvoller Schauer über den Rücken. Unbewusst schaute sie noch einmal in den Spiegel. Ja, sie sah recht ansehnlich aus.
Emma hatte den Tag, genüsslich in Büchern stöbernd, in Lady Johnstones ausgezeichneter Bibliothek verbracht und, gemäß ihrer neuen Devise, nicht mehr über Amys Aktivitäten nachgegrübelt. Das fiel ihr umso leichter, als Charles Hawthorne – der einzige Mann, dessentwegen Amy die Anstandsregeln missachtete – neuerdings deutlich desinteressiert war und das junge Mädchen höflich, aber eindeutig abgewiesen hatte. Emma konnte sich keinen Reim darauf machen.
Ehe sie den Salon betrat, verharrte sie einen Moment an den Flügeltüren. Normalerweise neigte sie nicht zu Neid oder bejammerte ihr Schicksal, doch für einen winzigen Moment wünschte sie sich, genauso elegant und vornehm wie die anderen Damen auftreten zu können. Kurz aufseufzend gesellte sie sich Juliet Glenfinning zu.
„Ich fragte mich schon, wo du bleibst.“
Lächelnd entgegnete Emma: „Ich schlief länger als beabsichtigt. Es ist so schön, wieder auf dem Lande zu sein.“
„Charles erwähnte, dass du das Landleben der Stadt vorziehst.“
„So? Es ist schon Wochen her, dass wir darüber sprachen. Erstaunlich, dass er sich das gemerkt hat.“
Juliet schmunzelte. „Er erinnert sich an die aufreizendsten Dinge, meistens an die, die er besser vergessen sollte. Sieh nur, wie sich alle um ihn drängen. Was macht ihn für die Damen nur so interessant? Er ist ja nicht einmal auf Brautschau.“
„Vielleicht liegt es gerade daran“, sagte Emma trocken. „Das Unerreichbare ist immer am attraktivsten.“
„Na, die wissen nicht, was sie sich einhandeln würden!“
„Einen Frauenhelden und Glücksspieler.“ Ohne zu überlegen,
Weitere Kostenlose Bücher