Emma - endlich vom Glück umarmt
gleich gestand sie sich ein, dass sie ihn ja durchaus eifrig ermutigt hatte. Plötzlich zitterte sie.
Nun musste sie schon wieder lügen. „Nichts, Amy. Ich brauchte nur ein wenig frische Luft.“
„Und wo ist Mr. Hawthorne?“
Froh, wahrheitsgemäß antworten zu können, sagte Emma: „Das weiß ich nicht.“
Ungläubig musterte Amy sie. Dann ließ sie sich auf eine nahe Bank sinken und sagte: „Emma, setz dich, wir müssen miteinander reden.“
Verdutzt schaute Emma sie an. „Es ist schon spät, gehen wir ins Haus.“
Amy wirkte zwar verständnisvoll, antwortete aber: „Nein, wir unterhalten uns hier und jetzt.“
Seufzend, da dieses Gespräch nur böse enden konnte, setzte Emma sich zu Amy auf die Bank. „Was möchtest du, Liebes?“
„Emma, ich glaube, du musst mal ehrlich zu dir selbst sein.“
„Das bin ich.“ Aber sie wusste, dass das nicht stimmte, denn sie hatte sich bisher wirklich nicht eingestanden, welcher Art ihre Gefühle für Charles Hawthorne waren.
Ihre Locken tanzten, so heftig schüttelte Amy den Kopf. „Nicht, wenn es um Mr. Hawthorne geht.“
Emma stockte der Atem. Sie kam sich wie in einem Traum vor. Waren hier nicht gerade die Rollen vertauscht? „Meinst du, weil ich ihn derart verteufle?“
„Nein, Schwester, oder eher doch. Meiner Meinung nach machst du ihn ständig schlecht, weil du Zuneigung für ihn entwickelst.“
Empört richtete Emma sich auf. „Nein!“
„Nein? Er war bei dir, bis ich kam, nicht wahr?“
Amys sanfter Tonfall schien Emma wie ein Schlag. Nein, keine Zuneigung, hier irrte ihre kleine Schwester bestimmt. Oder …? Aber was sollte sie antworten? Sollten weitere Lügen zwischen ihnen beiden stehen? Herausfordernd sagte sie: „Ja!“
„Dachte ich’s mir nicht? Du siehst so …“, Amy legte nachdenklich den Kopf schief, „… so anders aus … irgendwie lebendiger.“
Emma schoss das Blut in die Wangen. „Du hast eine lebhafte Fantasie, Amy. Wir haben uns nur unterhalten.“
„Über mich? Oder über Bertram?“, fragte Amy hinterhältig. „Oder was sonst?“
Unruhig rückte Emma auf die äußerste Kante der Bank. „Über euch beide.“
„Aha …“
Der bedeutungsvolle Ton sagte Emma, dass sie sich diesem Verhör rasch entziehen musste, sonst würde sie sich verplappern. Aufspringend sagte sie: „Ich gehe zu Bett. Kommst du mit ins Haus?“
Zwar lugte Amy neugierig den Pfad entlang, auf dem Charles verschwunden war, stand aber doch auf. „Wenn ich mich weigerte, würdest du mir sicher eine Anstandsdame hinausschicken, also gehe ich lieber gleich mit.“
Auch diese Worte hatten einen wissenden Unterton, doch Emma würde auf keinen Fall ihrer kleinen Schwester erzählen, dass sie Charles Hawthornes Avancen nicht hatte widerstehen können.
Während sie durch die kühle Nachtluft zurück zum Haus schritten, erkannte Emma erbebend, dass sie unrettbar verloren war.
16. KAPITEL
Wie stets erwachte Emma schon früh am Morgen, nur fühlte sie sich heute irgendwie anders als sonst. Dann setzte jäh ihre Erinnerung ein, ihr wurde heiß. Wieder stieg diese verwirrende Erregung in ihr auf, gepaart mit einem Verlangen, das sie mit Scham erfüllte.
Offensichtlich hatte Charles Hawthorne ihren Körper auf eine Art erweckt, wie sie es sich nie hätte vorstellen können. In ihren Gedanken spukten mit einem Mal die geheimen Dinge, die zwischen Liebenden vor sich gingen, Dinge, die ihr Körper nun erfahren hatte und kannte. Und, weiß der Himmel, sie sehnte sich nach mehr!
Um sich abzulenken, sprang sie rasch aus dem Bett, zog ein leichtes, einfaches Kleid an, bei dem sie die Hilfe einer Zofe entbehren konnte, und schlang ihr Haar zu einem schlichten Knoten. Dann huschte sie hinab in den Garten, denn sie liebte es, von anderen ungestört zwischen den vom Tau benetzten Blüten umherzuwandern, und heute hoffte sie außerdem, die Morgenfrische werde auf ihren Geist wie auf ihren Körper dämpfend wirken.
Bisher hatte sie sich als kühl eingeschätzt, als unempfänglich für die Freuden des Fleisches, doch seit dem letzten Abend stellte sie das infrage. Ob sie gar frivol und liederlich war? Peinlich berührt, errötete sie.
Dabei fühlte sie sich seltsam froh; ihr Gang war elastischer als seit vielen Jahren, und sie genoss es, wie der frische Morgenwind ihr die Röcke an den Körper schmiegte, sodass sich die Umrisse ihrer Beine darunter abzeichneten. Emma konnte sich nicht erinnern, je zuvor Begehren verspürt zu haben. Nun, beide Gefühle –
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