Emma - endlich vom Glück umarmt
hinein. Offensichtlich war sie unersättlich.
„Tut Ihnen wirklich nichts weh?“, drang Bettys Stimme in diese erfreulichen Gedanken.
„Mir geht es gut, Betty.“ Sie sah, dass die alte Frau sie von der Seite her musterte.
„Sie sehen so anders aus.“
Himmel! Emma überlief es kalt. Konnte man ihr ansehen, was sie getan hatte? Wenn es herauskam, war ihr guter Ruf dahin. Nicht nur sie selbst wäre ruiniert, auch Amys Chancen wären endgültig dahin.
Sie ließ sich in die Kissen zurückfallen. Warum hatte sie nicht vorher daran gedacht? Und wie würde es sein, wenn sie Charles heute entgegentrat? Würde ihre Miene sie nicht sofort verraten?
Die Tür flog auf, und Amy, das blonde Haar zerzaust, wirbelte ins Zimmer. „Emma, du wirst es nicht glauben! Charles Hawthorne ist abgereist! Ganz plötzlich! Ohne auch nur Lebewohl zu sagen, ging er zur Tür hinaus, und kurz darauf sah ich ihn, wie er, so schnell sein Pferd ihn trug, davonritt.“
Schnell wandte Emma den Kopf ab, damit Amy nicht sah, wie die Nachricht auf sie wirkte. In der Nacht noch hatte er bei ihr gelegen, und heute reiste er ab, ohne ein einziges Wort! Stärker konnte er sie nicht demütigen. Und den Schmerz würde sie lächelnd ertragen müssen.
„Emma“, hörte sie Amy besorgt sagen, „Emma, ist dir nicht gut?“
Emma atmete ein paarmal tief ein und zwang sich, die Tränen herunterzuschlucken. „Nein, Amy, nur ein wenig Kopfweh. Betty, bringst du mir bitte eine Tasse Schokolade? Du weißt doch, das hilft immer.“
Nachdem Betty hinausgegangen war, hockte Amy sich auf die Bettkante, sodass Emma nicht anders konnte, als sie anzusehen. „Du siehst aus wie … wie damals, als … als Mama starb.“
Man konnte stets darauf setzen, dass Amy ins Schwarze traf. „Ich habe nur schlecht geschlafen, Liebes.“
„Ach, das tut mir leid.“
Erschöpfung mischte sich in Emmas Verzweiflung, als sie Amys Hand nahm und sanft drückte. „Wenn ich noch ein wenig ruhe und dann gefrühstückt habe, geht es mir bestimmt wieder besser. Gestern trank ich wohl etwas zu viel Wein.“
Amy lachte leise. „Aber gestern Abend glühtest du auch nachgerade, Emma. Ich dachte, du würdest jeden Moment in Flammen aufgehen.“
„Ja, aber das war gestern.“ Sie lächelte reuevoll und nestelte an der Bettdecke herum. „Ist Charles Hawthorne denn wirklich abgereist?“, fragte sie bemüht gleichgültig, ohne Amy anzusehen.
„Ich weiß es nicht sicher, aber sein Diener packt gerade. Das sagte Betty wenigstens.“ Einen Moment schwieg sie, ehe sie fortfuhr: „Ich denke, du mochtest ihn mehr, als du zugeben willst.“
„Pah!“ Emma wich Amys Blick geflissentlich aus. „Natürlich nicht.“
Grüblerisch sagte Amy: „Weißt du, langsam meine ich, dass er wirklich an dir interessiert war und er mich nur benutzte, um an dich heranzukommen. Er stichelte ständig an dir herum.“
„Wie wahr!“, rief Emma mit einiger Schärfe.
„Emma“, fragte Amy ernsthaft, „bist du an ihm interessiert?“
„Natürlich nicht! Wie könnte ich etwas für einen gewissenlosen Verführer empfinden, der dir nachlief, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden? Außerdem, seine Geschäfte haben ihn zwar reich gemacht, aber nicht so reich, dass es Papa genügen würde.“
„Man könnte ihn mögen – als Mann, meine ich“, sagte Amy leise. „Er sieht gut aus, er ist elegant und modebewusst und natürlich amüsant.“
„Und anmaßend!“, schnaubte Emma.
„Das auch.“ Amy kicherte, dann fragte sie nüchtern: „Hast du etwas für ihn übrig?“
Emma seufzte. „Warum fragst du so beharrlich?“
„Weil er meiner Ansicht nach wirklich an dir interessiert ist. Es wäre ein Jammer, wenn du eine Beziehung ablehntest, die dir das Lebensglück brächte.“
Sorgfältig strich Emma die Bettdecke auf ihrem Schoß glatt. „Was hast du heute nur für fantastische Ideen!“
„Ich glaube trotzdem, ich habe recht.“ Amy ließ Emmas Hand los. „Soll ich Betty bitten, sich zu erkundigen, welche Pläne er hatte?“
„Nein!“ Fast schrie Emma das Wort. „Nicht nötig. Wir beide reisen sowieso bald ab. Tatsächlich werde ich heute Nachmittag eine Anzeige an die Times schicken, bezüglich eines Postens als Erzieherin. Ehe du dich versiehst, werde ich eine Stelle haben.“
„Ach, Emma, wenn du schon Charles Hawthorne laufen lässt, zieh doch wenigstens Mr. Helmsley in Betracht“, bat Amy traurig. „Sag nicht, er hätte sich nicht erklärt, denn er hatte mich zuvor
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