Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
Auflage, dass keiner dem anderen übermäßig reinfunkt.« Er grinste. »Kluge Frau. Also dann, was machen wir mit dem Kerl? Eine Nacht auf dem Sofa?«
»Auf welchem Sofa?«
»Na, bei uns. Was sollen wir sonst machen? Wir haben kein freies Zimmer mehr.« Ralph rieb sich den Nacken. »Dass mal ein Zimmer leer bleibt, okay, aber ein Gast zu viel … Das ist neu.«
»Und es gibt sonst niemandem, bei dem er übernachten könnte? Jemand von den anderen Musikern? Es wäre ja nur für eine Nacht …«
»Glaub ich nicht. Nein. Das können wir auch nicht machen. Ich muss mit ihm reden. Eine Nacht auf dem Sofa … Natürlich muss er dafür nicht bezahlen … Und danach bekommt er das größte Zimmer. Schließlich hat er für zwei Wochen reserviert.«
»Zwei Wochen? Wow. Was will er denn so lang in Kinsale?«
»Die Gegend erkunden? Frag ihn doch. Dann kannst du ihn gleich wegen des Sofas fragen.«
»Das machst du schön selbst«, sagte Mary, die gerade mit einem Tablett Gläser zurück in die Küche kam und seinen letzten Satz gehört hatte. »Und würde sich mal einer von euch nach draußen bequemen, da gibt es noch genug zu tun.«
Ralph seufzte theatralisch, legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich vor sich her.
Der Amerikaner stand immer noch an der Theke und lächelte freundlich, als Ralph auf ihn zukam. Ich räumte Gläser zusammen und konnte deshalb nicht hören, was mein Onkel zu ihm sagte, aber das Lächeln rutschte ihm langsam aus dem Gesicht, während Ralph sprach. Es kam zu einer längeren, etwas lebhafteren Diskussion, während sich das Pub weiter leerte. Ich wischte nun Tische sauber und stellte Stühle hoch, und die beiden schienen sich langsam zu einigen. Oder vielmehr: Der Amerikaner fügte sich in sein Schicksal, weil ihm keine Wahl blieb. Zusammen mit Ralph ging er rüber ins Wohnhaus. Mary und ich verabschiedeten die letzten Gäste und räumten weiter auf. Bis mir wieder einfiel, was sie vorhin zu mir gesagt hatte. Ich wartete, bis wir allein waren.
»Mary?«
»Hm?«
»Wegen eben …«
»Hab mich doch schon entschuldigt.«
»Nein. Ich meine was anderes. Bin ich schon wunderlich?«
»Dass du mich so was fragst, ist das einzig Wunderliche an dir«, entgegnete sie.
»Ich weiß, du wolltest mich nur aufziehen, aber …« Ich geriet ins Stocken und setzte mich auf einen der Barhocker.
»Was ist los, Kate?« Mary legte den Lappen zur Seite und setzte sich neben mich. »Ich weiß, ich sage viel zu oft, was ich denke, ohne es ein bisschen hübsch zu verpacken, und wahrscheinlich sollte ich lieber einfach öfter die Klappe halten. Ist es das? Bist du mir böse?«
»Nein. Wirklich nicht. Vorhin war ich richtig wütend auf dich, aber es ist wieder okay.«
»Was ist es dann?«
Ich zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob Mary die Richtige war, um darüber zu reden. »Ich muss die ganze Zeit schon an meine Mutter denken. Sie war ein bisschen … wunderlich, oder? Damals kam mir natürlich alles, was sie tat, ziemlich normal vor, aber heute …«
Mary seufzte. »Zerbrich dir doch nicht den Kopf, nur weil ich eine dumme Bemerkung gemacht habe. Mit dir ist alles in Ordnung. Du hattest eine schwere Zeit, aber du warst unglaublich tapfer. Du hast angefangen, hier mitzuarbeiten, statt dich ganz einzuigeln, und seit ein paar Tagen hast du auch schon wieder so was wie Farbe im Gesicht. Ich glaube, die schlimmsten Wunden sind schon ganz gut verheilt.«
Ich dachte einen Moment nach, bevor ich antwortete. »Wahrscheinlich hast du recht. Es ist nur so, dass Mutter nie eine Beziehung hatte. Sie hat sich nie mit einem Mann getroffen. Ich dachte immer, es hätte damit zu tun, dass ich ein uneheliches Kind war und keiner mit uns etwas zu tun haben wollte. Großmutter sagte mal, Hannah hätte einfach keine Zeit gehabt, sich auch noch nach einem Mann umzusehen, weil sie arbeiten musste und so viel Zeit wie möglich für mich haben wollte. Aber mittlerweile kommt mir ihr Verhalten schon sehr komisch vor. Wunderlich eben. Sie lebte so zurückgezogen. Keine Freundschaften, keine Besuche …«
»Wie gesagt, mach dir keine Gedanken«, sagte Mary, sprang vom Barhocker und schnappte sich ihren Lappen.
»Mary«, sagte ich. Sie drehte sich nicht um. »Wenn ich so werde wie meine Mutter, sag mir rechtzeitig Bescheid.«
Sie sah mich immer noch nicht an, und ich verstand kaum, was sie vor sich hin murmelte.
Als ich sie bat, es zu wiederholen, sagte sie: »Schatz, es ist schon spät. Geh schlafen, ich mach den
Weitere Kostenlose Bücher