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Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Emmas Geheimnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Balfour
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Es wäre nicht möglich gewesen, es zu halten.
    Ich setzte mich auf eine niedrige Mauer, die den Garten eines Hauses begrenzte, um auf den Sonnenaufgang zu warten. Unter mir lag die Bucht von Kinsale. Auf dem Wasser tanzten gespiegelte Lichter, und hier und da zeugten erleuchtete Fenster in den umliegenden Häusern der Stadt davon, dass sich noch andere Schlaflose die Zeit vertrieben.
    Juni, dachte ich, in zwei Wochen ist Mittsommer. Ein Fest, das ich schon lange nicht mehr gefeiert hatte. Mir fielen die Feste am Strand ein, zu denen ich mit Margaret gegangen war. Die großen Sonnwendfeuer, die Musik, das Lachen und Tanzen bis tief in die Nacht … Warum war ich mit Brian nie zu einem Mittsommerfest gegangen? Hatte es nicht zu unserem Leben in Cork gepasst? Wir hatten sonst viele Feste gefeiert. Waren zu unzähligen Partys von Brians Kunden und Mitarbeitern gegangen, von meinen Kollegen, von Nachbarn und Bekannten. War wirklich nie ein Mittsommerfest dabei gewesen?
    Ich würde Ralph fragen, ob im Jacob’s Ladder nicht eine Feier stattfinden könnte. Es wäre das erste Fest … ohne Brian.
    Als sich der Himmel im Osten heller färbte, bot sich mir ein atemberaubender Blick über Kinsale, die Bucht und das Meer. Ich sah zu, wie sich der rote Streifen am Horizont durch den frühmorgendlichen Dunst kämpfte, wie das Meer an tiefblauer Farbe gewann, wie die kleinen, bunten Häuser der Stadt langsam erwachten – immer mehr Lichter wurden eingeschaltet, Motoren waren zu hören. Die Vögel waren längst munter und schrien um die Wette. Ein neuer Tag begann, die Zeit blieb nicht stehen, selbst wenn sich das Leben für immer änderte.
    Das erste Fest ohne Brian, dachte ich erneut. Wie es wohl sein würde, ohne ihn zu feiern? Ohne ihn Spaß zu haben?
    »Ich muss es wohl ausprobieren«, sagte ich leise mit Blick auf das Meer. »Ein Leben ohne dich, Brian.«

6.
    Ein paar Stunden später scheuchte mich Mary aus der Küche und verordnete mir einen freien Tag.
    »Kauf dir mal was Schönes zum Anziehen. Neue Schuhe. Irgendwas, das dir Freude macht. Und sag jetzt nicht, dass du schon alles hast oder es dir nicht leisten kannst oder so was in der Art.«
    Ihrem entschlossenen Gesichtsausdruck nach war sie bereit, mich persönlich nach Cork zu tragen, wenn ich mich nicht freiwillig auf den Weg machte.
    »Es ist Samstag, die Geschäfte werden knallvoll sein«, wagte ich einen schwachen Protest.
    »Umso besser. Dann kommst du mal unter Menschen. Und zwar unter welche, die nicht jeden Abend im Pub deines Onkels versacken.«
    Ich nahm mir Ralphs Wagen und fuhr in die Stadt, streifte durch die Geschäfte in der St. Patrick’s Street. Vor nicht ganz zehn Jahren war die gesamte Straße neu gestaltet worden, weil Cork die Kulturhauptstadt Europas gewesen war. Seitdem galt die St. Patrick’s Street als eine der besten Shoppingmeilen in Irland. Ich fand aber nich ts, das mich interessierte. Waren diese eng und gerade geschnittenen Hosen nicht auch schon im letzten Jahr und in dem davor aktuell gewesen? Und die kurzen Blazer? Ein Schaufenster wirkte wie das nächste, die knalligen Blau- und Rottöne, das schrille Orange und das leuchtende Grün änderten nichts daran.
    Wie hatte ich hier zugeschlagen, als es uns finanziell noch gut gegangen war! Teilweise hatte ich die Kleiderschränke so voll gehabt, dass ich nicht einmal mehr wusste, was alles darin war. Statt zu sparen, hatten wir alles ausgegeben, weil wir daran geglaubt hatten, dass es immer weiter bergauf gehen würde. Dann war die Krise gekommen, und alles hatte sich verändert. Ich hatte die Kleidung aus meinen überfüllten Schränken getragen, statt ständig etwas Neues zu kaufen. Und dabei hatte ich die absurde Feststellung gemacht, dass mir kaum etwas von dem, das ich besaß, wirklich gefiel. Warum hatte ich mir diesen ganzen Blödsinn gekauft? Was gefiel mir eigentlich? Was passte zu mir?
    Ich lief die Schaufenster ab, immer noch nicht davon überzeugt, dass ich dort etwas kaufen wollte, ging weiter bis zur Grand Parade. Ich wollte mein Vorhaben, mir etwas Schönes zum Anziehen zu kaufen, schon aufgeben und stattdessen etwas essen. Zunächst dachte ich an den English Market, aber dann bog ich in die Washington Street ab, wo sich ein Restaurant an das nächste reihte. Der English Market würde vor Touristen bersten, schließlich war Wochenende. Hier würde es netter sein.
    Mir fiel ein indisches Restaurant ein, in dem ich einmal sehr gut gegessen hatte. Ich versuchte, mich zu

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