Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
ganz wunderbar so.«
»Ich will nicht, dass du unglücklich bist.«
»Bin ich nicht. Wir sind ein Team, wir halten zusammen. Okay? Und jetzt freuen wir uns erst einmal darüber, dass ich ein konstantes Einkommen habe und wir im schlimmsten Fall über die Runden kommen, egal was passiert.«
Der »schlimmste Fall« sollte erst nach zehn Jahren eintreten. Zehn Jahre, in denen ich den Absprung nicht gefunden hatte, weil ich mich schnell an die Sicherheit und an das Geld gewöhnt hatte. In der Zeit hatte ich keinen einzigen Artikel verkauft, ich hatte es nicht einmal versucht. Aber ich war froh, dass ich meinen Job so lange behalten hatte. Er rettete uns davor, alles zu verlieren.
An unserem zehnten Hochzeitstag wollte Brian spontan nach Marrakesch fliegen. Ich redete es ihm aus.
»Wir müssen sparen.«
»Aber doch nicht bei so einem Anlass!«, protestierte er. Brian tat sich sehr schwer damit, seine Gewohnheiten umzustellen. Etwas in ihm schien nicht akzeptieren zu können, dass er arbeitslos war. Dass wir nicht mehr so leben konnten wie vorher.
»Außerdem ist es viel zu unsicher. Mitten im Arabischen Frühling, wer weiß, was alles noch passiert!«
»In Marokko ist es nicht so tragisch«, sagte er.
»Tragisch genug. Viel zu unsicher«, hielt ich dagegen.
»Man kann auch auf dem Weg zum Briefkasten überfahren werden!«, murrte er.
Er cancelte aber die bereits gebuchten Flüge, und eine Woche später, als wir auf unseren zehnten Hochzeitstag in einem hübschen kleinen Hotel in der Nähe von Galway anstießen, ging in einem Café auf dem Djemaa el Fna eine Bombe hoch. Siebzehn Menschen starben. Die meisten von ihnen waren Touristen.
»Da gibt uns jemand ein zweites Leben«, sagte er, als wir es in den Nachrichten erfuhren. Er war ganz bleich. »Gut, dass ich auf dich gehört habe.«
Ich sagte ihm nicht, dass ich ihm die Reise ausgeredet hatte, weil ich vor Kurzem erst gelesen hatte, welche Bedeutung der Name Djemaa el Fna hatte. Im Reiseführer hatte gestanden, es hieße »Platz vor der Moschee«. Aber eine weitere Deutung war auch »Versammlung der Toten«. Ich war so erschrocken darüber, dass ich mir von da an schwor, nie wieder dorthin zurückzukehren. Ein alberner Aberglaube, aber vielleicht hatte Brian recht, und wir waren damals wirklich dem Tode entronnen.
Sein »zweites Leben« aber, wie er es von da an scherzhaft nannte, sollte nur sieben Monate dauern.
8.
Ich schreckte an der Stelle aus meinem Traum hoch, als die Musik auf dem Marktplatz einsetzte. Komischerweise waren nämlich leise Gitarrenklänge zu hören, die sich in meinem Kopf zu der Melodie von »The Star of the County Down« zusammensetzten. Ich blinzelte, hob den Kopf, lauschte. Aber es war nichts zu hören, ich musste es tatsächlich geträumt haben. Ein irischer Folksong auf einem marokkanischen Marktplatz! Was für einen Streich spielte mir mein Unterbewusstsein da? Ich legte mich wieder hin und dämmerte in einen Halbschlaf, der mich mit wirren Traumbildern überflutete. Die Klarheit der marokkanischen Szene war vergangen und auch die Stimmung des Traums. Ich ging nun auf eine wilde Reise über irische Landstraßen. Felder mit Kühen und Schafen flogen an mir vorbei, ich sah Dörfer, einzelne Häuser, Zäune, entgegenkommende Fahrzeuge … Alles wirbelte durcheinander, stand teilweise auf dem Kopf, drehte sich im Kreis. Mir wurde schwindelig. Dann hörte ich mich selbst sagen: »Wo warst du?« Brians Gesicht tauchte auf, aber es war das Gesicht eines Toten. Er lag in einem weißen Raum, und auch der Raum drehte sich. Ich fragte wieder: »Wo warst du?« Und dann wurde ich wieder wach.
Wie war so schnell aus einer schönen Erinnerung ein solcher Albtraum geworden? Nur weil mich die Musik irritiert hatte? Es musste noch etwas anderes gewesen sein, irgendetwas …
Wieder hörte ich Töne. Unzusammenhängende Gitarrenakkorde. Ich setzte mich auf, lauschte lange und angestrengt, aber es blieb ruhig. Hatte ich es mir eingebildet? Zweimal hintereinander?
Ich versuchte einzuschlafen, war aber durch den Albtraum viel zu unruhig. Was hatte ich den toten Brian gefragt? »Wo warst du?« Die Antwort hatte ich längst gefunden. Er hatte den Job nicht bekommen, für den er sich beworben hatte. Er war frustriert über Land gefahren. Ziellos. Um nachzudenken. Dann hatte er an einem Pub gehalten, zu viel getrunken, den Rückweg angetreten … Es war die einzige Erklärung. Doch sie reichte mir nicht mehr. Im Gegenteil, sie nagte an mir und ließ
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