Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
Reise durch Neuseeland abgekühlt, ich war innerlich auf Distanz gegangen, und ich hatte nicht den Weg zu ihm zurückgefunden. Das war der Zustand unserer Ehe vor gut zwei Jahren.
Als ich dann auch noch Sanjay durch Zufall auf der Straße wiederbegegnete, musste ich einsehen, dass mein Herz nie frei gewesen war. Mit Frank war es für immer vorbei.
15.
»Dass ich dich hier treffe!«
Ich ließ vor Schreck fast das Buch fallen. Vor mir stand Matt. Klatschnass vom Regen, dem ich eine halbe Stunde zuvor in das kleine Café entflohen war.
»Du bist aber auch schreckhaft«, sagte er grinsend.
»Was machst du denn hier?«, fragte ich. Mein erster Impuls war, das Buch über Hugh Lane verschwinden zu lassen. Was albern war – schließlich hatte ich es für ihn gekauft.
»Darf ich?« Er zeigte auf den freien Stuhl an meinem Tisch und zog sich die nasse Jacke aus.
»Natürlich. Bitte.«
»Deine Tante hat mir verraten, wo du bist.«
»Mary hat …?« Ich seufzte.
»Ich hab sie gefoltert und bedroht, damit sie es mir verrät.« Er versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen, und setzte sich zu mir. Das Wasser tropfte ihm aus den Haaren.
»Was liest du?«
Ich spürte, wie ich rot wurde. »Ein Buch über Hugh Lane. Seine Tante hat es geschrieben. Wo wir gerade von Tanten reden«, murmelte ich. Ich würde mir Mary heute Abend vornehmen müssen.
Matt hatte bei der Erwähnung des Buches ganz große Augen bekommen. »Wo hast du das her?«
Ich reichte ihm das Buch, mein Gesicht brannte immer noch. »Gerade durch Zufall in einem Antiquariat entdeckt. Ich dachte, ich nehme es für dich mit. Falls es dich interessiert …«
»Natürlich interessiert es mich!« Er fing an zu blättern. »Steht etwas über meinen Urgroßvater drin?«
Ich lachte. »So weit bin ich noch nicht gekommen. Der Antiquar sagte übrigens, das Buch sei übers Internet als Reproduktion zu beziehen.«
Matt hob die Schultern, ohne seinen Blick von dem Buch zu nehmen. »Ich wusste gar nicht, dass es das gibt«, meinte er abwesend.
»Du kannst es haben«, sagte ich.
Er sah mich an. »Nein! Wirklich?«
»Aber erst wenn ich es gelesen habe. Ich fange gerade an, mich für den Herrn zu erwärmen.«
»Ich kenne ja nur die allgemeinen Fakten über ihn. Dass er das perfekte Auge für wertvolle Bilder gehabt haben muss. Und dass er die Municipal Gallery of Modern Art in Dublin gegründet hat. Die erste öffentliche Sammlung für moderne Kunst auf der ganzen Welt, heißt es. Das habe ich dir schon erzählt, oder? Aber ich habe nie etwas Privates über ihn in Erfahrung gebracht. Ich habe ehrlich gesagt auch gerade erst angefangen, mich mit ihm zu beschäftigen.« Er drehte sich um und rief dem Mädchen hinter der Theke zu, dass er gerne dasselbe trinken würde wie ich. Sie nickte und machte sich an die Arbeit.
»Bist du sicher? Ich trinke Fencheltee.«
»Urgs. Warum?«
»Weil ich ihn mag und sowieso viel zu viel Kaffee trinke.«
»Soll ja außerdem gut für den Magen sein«, sagte er kopfschüttelnd und wandte sich wieder dem Buch zu. »Wow, ist das spannend! Irgendwie hoffe ich, den Namen meines Urgroßvaters hier drin zu lesen. Und gleichzeitig habe ich Angst davor. Ich weiß nicht, ob ich mir wünsche, dass mein Vater einem Hirngespinst nachgejagt ist, oder ob ich will, dass alles wahr ist.«
»Ich kann schon so viel sagen: Verheiratet war Lane nie. Frauengeschichten schienen auch kein Thema zu sein. Er hat Umgang mit Damen gepflegt, die ihm bei s einer Sammelleidenschaft hilfreich waren. Aber so e inige Männer bezeichnen ihn als den besten Freund, den man haben kann.«
»Schwul?«
»Wenn dem so war, hätte es seine Tante nicht geschrieben. Sie stellt es eher so dar, als hätte nichts anderes in seinem Leben Platz gehabt, weil er mit ganzer Leidenschaft für die Kunst lebte. Eine Heirat hätte einen riesigen Verlust für die irische Kunstszene bedeutet.«
»Hast du schon das ganze Buch durch?«, fragte Matt beeindruckt.
»Nein. Ich bin gut im Querlesen und im schnellen Aufstöbern der wichtigen Stellen.«
»Was für ein Talent!«
»Das lernt man an der Uni. Besonders wenn man ein bisschen faul ist.« Ich grinste. »Aber seine Leidenschaft für Bilder war schon unglaublich. Ich meine, er war bereit, auf alles zu verzichten. Er hat gehungert und in schlechten Unterkünften gehaust, nur um genug Geld für Bilder zu haben.«
»Hmmm. Und da steht wirklich nichts von Frauengeschichten?«
»Vergiss nicht, seine Tante hat das Buch geschrieben. Es wird
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