Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
verantwortlich, dich trifft keine Schuld, du warst doch noch jung?«
»Sollen wir jetzt diskutieren, ob es richtig oder falsch war, einem Fünfzehnjährigen für eine halbe Stunde die Aufsicht über seinen Cousin zu geben? Es ist schrecklich, was geschehen ist. Niemand kann es mehr ungeschehen machen. Nein, wichtig ist mir, wie du jetzt damit umgehst. Du versuchst nicht, dich rauszureden und anderen die Schuld zu geben. Das heißt Verantwortung.«
Er schnaufte abfällig. »Und heute bin ich reif und erwachsen und mache keine Fehler mehr? Nein, Kate. Ich will nie mehr Verantwortung für ein Kind übernehmen müssen. Verstehst du nicht? Ich hätte ihm helfen können, wenn ich nicht so sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen wäre. Wer garantiert mir, dass ich als Vater nicht auch mal Momente habe, in denen ich denke: Passiert schon nichts, wenn mein Kind fünf Minuten allein ist, ich schau nur eben Fußball zu Ende?«
»Du würdest es nicht zulassen. Du bist erwachsen.«
Brian schüttelte heftig den Kopf. »Trotzdem. Ich traue mir selbst nicht. Es tut mir leid.« Er ging an mir vorbei nach drinnen. Kurz darauf fiel die Haustür ins Schloss, und dann hörte ich den Wagen aus der Garage fahren.
Vier Tage sollte es noch dauern, bis ich endlich meine Periode bekam. Bei den späteren ärztlichen Untersuchungen kam nur heraus, dass ich kerngesund war. Wir sprachen in dieser Zeit immer wieder über den kleinen John, über Verantwortung, über das Risiko, ein Kind in die Welt zu setzen. Aber es änderte nichts. Brian gab seine Haltung nicht auf. Der Gedanke, eigene Kinder zu haben, ängstigte ihn zu Tode. Ich musste mit ansehen, dass er schlecht schlief, weniger aß und ganz elend aussah. Um ihn nicht noch mehr zu quälen, ließ ich das Thema schließlich fallen. Wir hatten immer noch so viel Zeit, Kinder zu bekommen, ich hatte es selbst nicht besonders eilig damit. Bestimmt würde es nun in ihm arbeiten, und war nicht Zeit der beste Faktor, um Wunden zu heilen? Das redete ich mir jedenfalls ein.
Ich sollte nicht recht behalten. Wann immer ich die Sprache auf eigene Kinder lenkte, verschloss sich Brian, und es war offenkundig, wie sehr ihn das Thema quälte.
Irgendwann gab ich es ihm zuliebe ganz auf.
Mit gemischten Gefühlen fuhr ich zurück nach Kinsale. Ich setzte mich mit Ralph und Mary zusammen, um die endgültige Planung für die Mittsommerfeier durchzugehen und zu überprüfen, ob auch wirklich alles erledigt und nichts vergessen worden war. Ein einziger Posten stand noch offen: die Bestellung bei Sam. Ich bat Ralph, dies für mich zu übernehmen, und er nickte nur, ohne Fragen zu stellen. Den Abend hatte ich mir freigenommen. Ich traf mich mit Matt am Strand, wo er ein Picknick für uns vorbereitet hatte. Als ich ihn sah, verzogen sich die düsteren Wolken, die tagsüber in mir aufgekommen waren. Wir sprachen und lachten viel, und irgendwann hatte ich genug getrunken, um sogar mit ihm zusammen zu singen. Ich war so sehr im Hier und Jetzt, dass ich gar nicht mehr daran dachte, ihn zu fragen, ob wir uns wiedertreffen würden. Vielleicht war mir aber auch klar, dass es nicht einfach enden würde, nur weil er nach dem Wochenende weiterreiste.
Wir küssten uns, hielten uns im Arm, und später, als w ir kurz vor Sonnenaufgang wieder im Pub waren, nahm ich ihn – trotz aller guten Vorsätze, mir Zeit zu lassen und ihn langsam kennenzulernen – mit auf mein Zimmer, und wir verbrachten eine zärtliche und wundervolle Nacht zusammen. Es war, als hätte er Brian aus meinen Gedanken vertrieben. Mein Herz war endlich frei. Für Matt.
21.
Schon am frühen Samstagmorgen begannen wir damit, das Pub für das Mittsommerfest zu dekorieren. Ich hatte Ralph und Mary nicht verraten, was sie erwarten würde, und war sehr gespannt auf ihre Reaktion. Im ganzen Ort würden heute kleinere und größere Feiern stattfinden, auch mehrere Lagerfeuer waren geplant. Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, dass im Jacob’s Ladder das auße rgewöhnlichste Mittsommer stattfinden sollte. Inspiriert von dem großen Festival, das um diese Zeit immer in Cork stattfand – viele Veranstaltungen mit internationalen Künstlern, Tänzern und Musikern –, hatte ich einen Teil der Bühnendekoration einer Produktion von Shakespeares Sommernachtstraum organisiert, durch die das Pub aussehen würde wie der von Feen und Elfen bewohnte Wald aus dem Stück; dazu noch ein paar Studenten, die sich ab dem späten Nachmittag entsprechend kostümiert um die
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