Endless: Roman (German Edition)
Flecken auf den Wangen.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Jon hat starke Schmerzmittel bekommen, deshalb war es schwierig, mit ihm zu reden. Sie behalten ihn über Nacht da. Aber es geht ihm den Umständen entsprechend gut.« Sie warf Emil einen Blick zu. »Oh, hallo, wir haben uns ja lange nicht gesehen.« Sie küsste ihn auf die Wange und setzte sich auf den leeren Stuhl zwischen ihm und Lucien.
Emil machte ein verlegenes Gesicht. »Hallo«, sagte er.
Meena wirkte nervös, fand Lucien. Aber schließlich glaubte sie ja auch, dass sie gleich ihren früheren Arbeitsplatz stürmen würden, um den Mann zu retten, den sie – wie er vermutete – liebte.
Daher war es nur natürlich, dass sie ein wenig nervös war. Sie konnte unmöglich Verdacht geschöpft haben. Sie hatte ihm mehrmals erklärt, sie könne nur den Tod anderer, nicht aber ihren eigenen voraussagen.
»Was ist denn eigentlich deinem Bruder zugestoßen?«, erkundigte sich Mary Lou. »Ein Unfall in der Küche?«
»Meena glaubt, er wurde von einem Lamir angegriffen«, entgegnete Lucien glatt.
»Oh nein«, sagte Mary Lou, »hoffentlich nicht. Als wir das letzte Mal in Rio waren, haben wir Lamir getroffen, weißt du noch, Emil? Ganz gemeine Dinger. Und die Brasilianer sind so nett und freundlich. Die Menschen, meine ich. Ich werde nie verstehen, warum gerade sie mit so schrecklichen Vampiren gestraft sind. Ich wusste gar nicht, dass sie hier auch schon sind. Schlimm! New York ist dem Untergang geweiht.«
»Warum?«, fragte Meena erschreckt.
»Nun«, erwiderte Mary Lou, »damals gab es riesige Mengen von ihnen – von den Lamir, meine ich – und niemand hat sie aufgehalten.« Sie bemerkte, dass ihr Mann Lucien einen nervösen Blick zuwarf, und fügte hinzu: »Du hast den Dracul niemals erlaubt zu töten und hast darauf geachtet, wie groß unser Volk werden durfte. Aber die Lamir waren nicht deine Untertanen. Niemand schien ihnen Grenzen aufzuzeigen, und die Geheime Garde war buchstäblich nicht vorhanden …«
»Bruder Henrique ist von dort und behauptet, über hundert gepfählt zu haben«, sagte Meena.
Mary Lou zog die Augenbrauen hoch. »Nun, das hat wohl kaum ausgereicht. Ich weiß allerdings nicht, wie sie sich erhalten haben. Sie töteten die meisten ihrer Nahrungsquellen, bevor sie eine Chance hatten, sich fortzupflanzen. Deshalb wundert es mich nicht, dass sie letztendlich hierhergekommen sind. Ich frage mich nur, warum es so lange gedauert hat. Die Lamir sind Fleischfresser, wisst ihr.« Sie verzog angeekelt das Gesicht. »Widerwärtige Angewohnheit.«
Meena schüttelte den Kopf. »Dann wurde Brianna
Delmonico also von einem Lamir infiziert.« Sie schaute Lucien an. »Die ganzen vermissten Touristen wurden von ihnen gefressen … Alaric hat recht gehabt.«
Wenn Lucien den Namen Alaric auch nur noch einmal hören musste, würde er den Tisch hochheben und durch das Fenster werfen.
»Sie haben gewartet, bis wir weg waren, bevor sie sich hier ausgebreitet haben«, stellte Emil fest. »Das macht Sinn. Allerdings macht es keinen Sinn, dass sie zusammen mit dem Priester hier angekommen sind. Wenn er so viele Lamir vernichtet hat, wie er behauptet, warum sollten sie dann gerade an den Ort gehen, wo er lebt? Müssten sie nicht eigentlich Angst vor ihm haben?«
»Nicht, wenn er derjenige ist, der die Falle für mich gestern Abend geplant hat«, sagte Lucien. »Anscheinend ist er doch ein unfähiger Narr, der noch nie jemanden getötet hat.«
»Du glaubst also auch, er hat gelogen, als er gesagt hat, er habe all diese Lamir getötet?« Meena blinzelte. »Das glaubt Alaric auch.«
Sie betastete das Halsband, das Lucien am Nachmittag eine tiefe Brandwunde zugefügt hatte. Sie hatte zwar nicht explizit zugegeben, dass Alaric es ihr geschenkt hatte, aber jedes Mal, wenn sie seinen Namen erwähnte, berührte sie den silbernen Talisman.
Er hätte sie besser getötet, dachte Lucien, als sie heute Nachmittag bewusstlos war. Dann hätte er ihren Tod Brianna Delmonico in die Schuhe schieben und als ihr Retter dastehen können, der sie wieder zum Leben erweckte.
Er hätte auch das Halsband abreißen können, bevor er
sie wiederbelebte. Schließlich konnte sie es durchaus bei ihrem Kampf in den unterirdischen Gängen verloren haben. Dummerweise war er so wütend auf den Vampir gewesen, der es gewagt hatte, sie anzugreifen, dass er nicht daran gedacht hatte. Und jetzt war sie nicht nur noch am Leben, sondern sie trug auch noch das Kreuz um den
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