Endlich geborgen
hoch erhoben, ganz mutig und selbstsicher, dann wieder wirkte sie weich und verletzlich. Es machte ihn wahnsinnig.
„Nun, ich habe viele Talente.” Das klang schroffer, als er es beabsichtigt hatte. Er bückte sich und warf noch einen Scheit ins Feuer.
„Kevin schläft noch. Ich glaube, Sie und Ian haben ihn heute nachmittag geschafft.”
Warum plauderte sie so drauflos? Sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie allein sein wollte. Offensichtlich wünschte sie etwas und brachte es nicht fertig, direkt danach zu fragen. Immer diese Spielchen!
In der Ferne war Donnergrollen zu hören.
„Warum sagen Sie nicht einfach, was Ihnen im Kopf herumgeht?” fragte er, nachdem er sich ihr zugewandt hatte.
„Cara hat Ihnen sicher erzählt, dass Kevin und ich einige Tage hier bleiben werden”, erwiderte sie kühl.
Er nickte. „Ja, das hat sie.”
Sie blickte zum Feuer. „Wir haben uns unter keinen besonders günstigen Umständen kennen gelernt, aber vielleicht können wir dennoch -Freunde werden.”
„Es würde Ray nicht gefallen, wenn wir befreundet wären”, bemerkte Gabriel zynisch.
Sie sah auf. „Sie haben mein Gespräch belauscht?”
„Nicht freiwillig. Wenn Sie das nächste Mal Ihren Freund anrufen, sollten Sie vielleicht hinausgehen statt in die Waschküche. Der Abfluss dort ist mit dem oberen Badezimmer verbunden.”
Sie schwieg.
„Was also ist das Problem, Melanie?” fragte er und machte einen Schritt auf sie zu. „Ist er verheiratet? Hat seine Frau von Ihnen erfahren und ist Ihnen nun auf den Fersen?”
Sie kniff die Augen zusammen. „Cara hat so viele Lebensmittel hierher gebracht, um zehn Leute für einen Monat zu versorgen”, sagte sie, ohne auf seine Anschuldigungen einzugehen.
„Ich werde heute Abend Hühnchen machen, falls Sie uns Gesellschaft leisten möchten. Es wird in etwa einer Stunde Essen geben. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ich muss meinen Sohn wecken.”
Sie drehte sich um und ging zur Treppe. Er wollte ihr nachrufen, dass sie ihm Antworten schuldig war.
Wieder donnerte es, diesmal ganz aus der Nähe, und die Fensterscheiben erzitterten. Er sah, wie sie am Fuße der Treppe zögerte und das Geländer fester packte, dann schritt sie stolz die Stufen hinauf.
Zur Hölle mit ihr, dachte Gabriel und warf noch einen Scheit ins Feuer. Funken flogen, und die Flammen züngelten empor. In Reeves Taverne warteten ein Barhocker und ein Bierkrug auf ihn. Gab es einen besseren Weg, eine stürmische Nacht zu verbringen, als bei einem Spiel mit seinen Brüdern?
Den gibt es nicht, entschied er und lief zur Hintertür. Ganz bestimmt nicht.
Melanie umklammerte die Decke und zog sie sich bis zum Kinn hoch, als ein Donnerschlag die Schlafzimmerfenster zum Klirren brachte.
Neben ihr schlief Kevin wie ein Murmeltier.
Regen trommelte auf das Dach, und ein Zweig kratzte an der Fensterscheibe. Der Wind heulte.
Es war erst kurz nach zehn. Sie könnte genauso gut aufstehen, sich Tee aufbrühen und etwas lesen, bis das Unwetter vorüber war. Alles, nur nicht hier liegen, sich hin und her wälzen und sich in der einen Minute wegen des Gewitters sorgen und in der anderen an Gabriel denken.
Er glaubte, sie hätte eine Affäre mit einem verheirateten Mann, was ebenso lächerlich wie empörend war. Sie erinnerte sich an ihr Gespräch mit Raina und begriff, dass es sich vielleicht so angehört hatte, aber mit welchem Recht brachte er solche Anschuldigungen gegen sie vor?
Wie konnte er über etwas urteilen, von dem er überhaupt nichts wusste?
Sie setzte sich auf und griff nach ihrem marineblauen Bademantel. Und außerdem - warum sollte es ihn kümmern, was sie tat?
Und warum sollte es sie kümmern, was Gabriel über sie dachte?
Seufzend zog sie dann langsam den Bademantel an. Es kümmerte sie. Und wie es das tat.
Es verletzte sie, dass Gabriel so wenig von ihr hielt. Sogar als sie he rausgefunden hatte, dass Phillip sie mit Susan betrogen hatte, einer Kollegin aus seiner Firma, hatte sie nicht erwogen, selbst eine Affäre einzugehen, obwohl sie ihn für einige Tage aus dem Haus geworfen hatte.
Ein Verhältnis hätte sie ihm verziehen, aber dann war Stephanie gekommen. Melanie hatte Phillip nicht einmal gefragt, wo er ihr begegnet war, sie hatte einfach Kevins Sachen gepackt und war mit dem bisschen Geld, das sie gespart hatte, ausgezogen.
Phillip war außer sich gewesen, als sie ihm ihren Entschluss, sich end gültig von ihm zu trennen, mitteilte. Damals hatte er
Weitere Kostenlose Bücher