Endstation Kabul
2 nd Special-Forces Group, die Spezialkräfte für den asiatischen Bereich. Wir trafen uns dort zum Kaffeetrinken und tauschten auch Informationen aus. In dieser Zeit häuften sich gerade die sogenannten Thread-Warnings: Warnungen über Bedrohungslagen aus den verschiedensten Quellen – nicht nur von Teilen der ISAF-Schutztruppe, sondern auch von Einheiten der »Operation Enduring Freedom«. Demnach waren oft Taxis aus dem Grenzgebiet von Pakistan nach Kabul unterwegs, vollgepackt mit Sprengstoff. Teilweise wurden sogar die Kennzeichen der betroffenen Fahrzeuge genannt. Aber versuchen Sie mal, im Gewusel dieser Stadt ein Taxi mit einem ganz bestimmten Kennzeichen zu finden! Zumal die fremden Schriftzeichen auf den Nummernschildern auch noch extrem klein waren.
Etwa zu dieser Zeit bekam ich auch die Information, dass die Reste der afghanischen Armee noch über vier Jagdflugzeuge vom russischen Typ MIG-21 verfügten. Diese würden wir in den nächsten Tagen in Aktion sehen, weil für eine Militärparade zur Feier des russischen Abzugs vor dreizehn Jahren ein Überflug geplant war. Als ich eines schönen Morgens mit Alex zusammen in der OPZ saß, hörten wir auf einmal aus dem hinteren, südöstlichen Bereich des Camps einen ohrenbetäubenden Knall. Über Funk bekamen wir mit, dass dort ein Flugzeug abgestürzt sei. Die QRF, die schnelle Einsatztruppe, wurde sofort alarmiert und zur Absturzstelle beordert. Alex und ich fuhren ebenfalls hin.
Als wir ankamen, sahen wir nur kleinere Trümmer des Flugzeugs. Von der Bauart war zu erkennen, dass es sich um eine MIG-21 handelte. Allerdings war dies ein Trainer, denn er hatte zwei Sitze: für den Flugschüler vorn und den Trainer hinten; sonst ist die MIG-21 ein Einsitzer. Komischerweise waren die Amerikaner bereits dabei, die Absturzstelle abzusperren. Nicht einmal die QRF war früher da, obwohl sich der Unglücksort genau hinter unserem Lager befand. Noch komischer war, dass sich einige Amerikaner ohne Uniform unter diesen Kräften vor Ort befanden, was mich noch misstrauischer machte. Einen Mann, etwas beleibter und mit schwarzem, zurückgegelten Haar, traf ich in einer anderen heiklen Situation wieder, wie ich noch berichten werde. Dort stellte er sich als Angehöriger eines amerikanischen Geheimdienstes vor, was ich bei dem MIG-Absturz lediglich vermutete. Die Amerikaner nahmen uns sofort zur Seite und sagten uns, das Flugzeug sei abgestürzt. Während meiner Ausbildung zum Berufshubschrauberpiloten hatte ich gelernt, dass man nach dem Absturz eines Luftfahrzeugs immer erst eine Untersuchung abwarten muss, bevor man eine Diagnose vorlegt. Alex und ich quittierten diese Erklärung mit einem Nicken und unterdrücktem Lächeln.
Wir standen circa fünf Meter vor einem etwas größeren Trümmerstück der Tragfläche und hatten bereits gesehen, dass sich an der Unterseite eingewölbte Löcher und an der Oberseite vergratete Löcher befanden. Ganz so, als sei dort etwas von unten eingedrungen und habe die Tragfläche durchschlagen. Die Optik erinnerte mich sehr an Ergebnisse von Übungen, die ich bei einer Scharfschützenausbildung an einer internationalen Schule genossen hatte. Dort hatten wir mit einem Kaliber-50-Gewehr auf verschiedenste Materialien geschossen. Und ich muss sagen, diese Löcher in den Tragflächen sahen genauso aus. Für mich stellte sich nur eine Frage zusätzlich: Wo ist der Pilot? Wie ich erst später hörte, hatte er sich noch mit dem Schleudersitz aus der Maschine retten können. Wegen der schlechten Wartung der Flugzeuge und des veralteten Materials riss aber das gesamte Gurtzeug. Der Pilot, ein sehr erfahrener Kampfflieger und vom Rang her General, stürzte zu Tode.
Alex und ich fotografierten das Trümmerteil. Oberleutnant Schulze, der Führer der Quick Reaction Force (QRF) und übrigens Koautor dieses Buches, tat es uns gleich. Auch er quittierte die Erklärung der Amerikaner mit einem neutralen Gesicht und dachte sich seinen Teil, wie er mir hinterher erzählte. Auch er fand seltsam, dass seine schnelle QRF die Amerikaner schon bei Absperrungsarbeiten an der Unfallstelle vorfand, obwohl diese doch einen viel weiteren Weg hatten. »Was hältst du von der Sache, Achim?«, sprach er mich später im Camp an. Ich sagte ihm ohne Umschweife, dass ich sehr sicher sei, einen Abschuss zu erkennen, wenn ich einen sehe: »Wenn etwas aussieht wie eine Ente, quakt wie eine und watschelt wie eine, ist es sehr wahrscheinlich eine Ente!« Er meinte: »Ganz meine
Weitere Kostenlose Bücher