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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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hilfreichen Impulse und Reaktionen zu vermeiden.« Blablabla, sagt Bethany in meinem Kopf, und ich muss einen panischen Lachzwang unterdrücken.
    »Wollen Sie damit sagen, ich hätte Bethany falsch behandelt?«, frage ich mit erzwungenem Gleichmut. Doch die schockierend blauen Augen meines Chefs durchschauen mich. Vielleicht wird er damit gleich per Röntgenblick meinen Schädel nach der lockeren Schraube durchleuchten.
    »Nun, was denken Sie?«, fragt er mit einem müden Seufzen. Ich weiß nicht, wie alt er ist, aber er sieht plötzlich alt aus. Ein Mann mit Altersvorsorge und heimlichen Fluchtplänen. »Hören Sie.« Er deutet auf den Bildschirm. »Das zeigt doch, dass die Welt voller Menschen wie Bethany Krall ist. Es ist unsere Aufgabe, sie von ihren Phantasien zu befreien, statt sie darin zu bestärken.« Er streicht seine rosa-graue Krawatte glatt und greift zum Telefon, um mir zu zeigen, dass unser Gespräch beendet ist. Er wählt. Sofort fühle ich mich unbehaglich. Wen will er anrufen, wonach wird er fragen?
    »Wenn uns das nicht gelingt, Gabrielle«, sagt er, als wäre es ein nachträglicher Einfall, »tja,
dann haben wir keinen Job mehr

     
    Als ich später bei Bethany vorbeischaue, scheint sie trotz ihrer Abschottung von dem Erdbeben erfahren zu haben.
    |153| »Der Jackpot, Roller«, begrüßt sie mich. Ihre Augen sind starr, wie von Scheinwerferlicht gebannt, das sie ungeduldig herbeisehnt.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich bin davon aufgewacht. Ich kann’s noch spüren«, sagt sie und drückt die Handflächen auf ihren beinahe flachen Brustkorb. »Hier drinnen. Und auf meiner ganzen Haut. Sagen Sie immer noch, ich hätte mich geirrt?«
    »Nein. Es ist ja passiert.«
    »Aber Sie wollen behaupten, es sei Zufall.«
    Nichts in meiner Ausbildung hat mich darauf vorbereitet. Aber man hat mir »Lösungen« für bestimmte Situationen beigebracht, die Bethany als Blabla-Antworten bezeichnen würde. So auch diese. »Ja, ich will dir sagen, dass ich es für einen Zufall halte. Genau wie Dr.   Ehmet, der Angehörige in Istanbul hat.«
    »Natürlich wird er das sagen. Er kann nichts anderes sagen, denn er hat mir nicht zugehört, als es darauf ankam.« Sie senkt den Kopf, bis er auf einer Höhe mit meinem ist. »Sie müssen mich hier rausbringen«, flüstert sie eindringlich. »Begreifen Sie das nicht, Sie dumme Kuh?«
    »Ich begreife, dass du das willst, Bethany. Aber du bist zu deiner eigenen Sicherheit hier. Und der anderer Leute. Du bist hier, um gesund zu werden.«
    »Sie wissen, dass das Riesenscheiße ist«, sagt Bethany. Ihre Augen wirken dunkler als sonst. »Ich muss hier raus. Dieses Erdbeben war noch gar nichts. Es kommt noch viel schlimmer. Yeah, das spüre ich. Im Ernst. Das wird megamäßig. Am 12.   Oktober. Die ganz, ganz große Sache. Ich will nicht hier drin sterben. Ich muss raus. Sie müssen mir helfen.«
    Ich spüre ein Phantomkribbeln in den Beinen. Angst. »Was passiert am 12.   Oktober?«
    Bethany stampft mit ihrem verblichenen schwarzen Turnschuh auf den Boden. Ihr Gesicht ist die schwache Verheißung eines aufziehenden Sturms. »Es ist etwas Neues. So etwas hat noch |154| niemand gesehen. Es fängt an einer Stelle an und breitet sich überallhin aus. So schnell, dass keiner was dagegen unternehmen kann. Helfen Sie mir hier raus, Roller. Ich will nicht ertrinken, verdammte Scheiße. Nicht hier.«
    »Sprichst du von einer Überflutung? Einem Hochwasser in Großbritannien?«
    »Es wird mehr als das sein. Aber ich weiß nicht, was.« Ihre Augen blitzen misstrauisch, und ihre Stimme wird eindringlich. Sie wirkt verängstigt. »Es ist doch Ihre Aufgabe, mir zu helfen, oder? Also helfen Sie mir.«
    Als ich zum Aufzug fahre, ruft Frazer Melville an.
    »Wann bist du dort fertig?«
    »Um halb sechs.«
    »Kannst du in mein Büro in der Universität kommen? Bring Bethanys Notizbücher mit, und zwar alle. Schaffst du es bis sechs?«
    Wann ist der richtige Augenblick, um einem Mann zu sagen, dass er einen schwach macht? Wann der passende Moment, um zuzugeben, dass man sein Herz nicht länger kontrollieren kann? Nicht jetzt. Niemals.
    »Ich werde da sein«, sage ich beiläufig.
     
    Es gibt nur eine brauchbare Methode, um einen Körper zwei Treppen hinaufzutragen, und zwar jene, mit der Feuerwehrleute Menschen aus brennenden Gebäuden retten. In dieser schmachvollen Position befinde ich mich gerade und hänge wie ein Sack über Frazer Melvilles breiter Schulter, während er beharrlich die Treppe

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