Engel der Finsternis (German Edition)
dieses Klosters verschonen wollen und sich von ihr zurückgezogen. Er erklärte allen, die Nonne habe sich nicht verführen lassen. Sie sei zu tugendhaft und spröde gewesen. Daraufhin hatte Balam sich der Frau angenommen und sie schließlich auf das Allerschändlichste missbraucht. Nur um Meresin zu verhöhnen, hatte er sie zu Sachen gezwungen, die keine Frau von Ehre je getan hätte. Die Verführung der Nonne war keine gewesen und trotzdem galt die Frau danach als verdammt.
Als Meresin davon erfuhr, stellte er Balam im Kloster zur Rede. Balam versuchte ihm zu trotzen und bezahlte einen hohen Preis dafür. Meresin bereitete seinem Dasein fast ein Ende. Er vernichtete ihn jedoch nicht vollends, so dass Balam sich von seinen Verletzungen erholen konnte und mit der Schmach der Niederlage leben musste. Meresin war ein gefährlicher Gegner, vor dem man sich hüten musste. Wollte man ihn zu Fall bringen, galt es, ihn zu in eine Falle zu locken und zu überraschen.
„Gute Idee!“, stimmte Agreas ihm zu. „Den Grafen und den Kaplan mit Hilfe dieser Dirne zu Fall bringen. Darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Aber jetzt, da du es sagst, muss ich zugeben, der Gedanke gefällt mir. Hast du einen Vorschlag?“
Meresin wandte sich ab und ging nicht auf Agreas` Frage ein. Er hatte eines der Weiber bemerkt, die sich von hinten an Franzi heranpirschte.
Das bucklige, verwachsene Geschöpf erkannte er sofort. Bei ihr handelte es sich um eine der Töchter der Dorfhebamme. Ein selten hässliches Mädchen mit schütterem, schlohweißem Haar und einer riesigen Hakennase.
Sie hatte Franzi zu Lebzeiten inbrünstig gehasst. Obwohl diese nichts getan hatte, um die Gefühle des Jungen zu wecken, in den das unansehnliche Mädchen verliebt gewesen war. Trotzdem hatte er nur Augen für Franzi gehabt und die Tochter der Hebamme links liegen lassen. Ihre Sehnsucht nach Schönheit hatte sie zu einem leichten Opfer für Agreas gemacht. Sie schmierte sich zu viel von den Kräutern ins Gesicht, die Agreas ihr empfohlen hatte und war einen qualvollen Tod gestorben. Die Kräuterpaste hatte sich unaufhaltsam durch die Haut und das Fleisch gefressen und die bloßen Knochen freigelegt. Als es mit ihr zu Ende gegangen war, sah sie aus, als hätte eine Schar Krähen ihr das Gesicht zerhackt.
Und nun schleppte sie ihren missgestalteten Körper mühsam zu Franzi und ragte hinter ihr auf. Weil Franzi auf dem Boden kniete, konnte sie endlich einmal auf sie herabsehen, so wie sie es immer schon hatte tun wollen. Ihr Kopf zuckte hin und her. Die Bosheit ließ sie erzittern, während sie einen ihrer gekrümmten Arme nach Franzis Kopf ausstreckte. Ihre knotigen Finger griffen in ihr langes, weiches Haar, befühlten es und ließen es wieder fallen. Sie schnupperte an ihr wie ein Hund an seiner Beute, ehe sie einige Schritte zurücktrat.
Zuerst dachte Meresin, sie wollte sich zurückziehen, doch dann erkannte er, was sie im Sinn hatte. Wie ein Blitz schoss er durch die Luft. Das missgestaltete Weib hatte keine Chance. Noch ehe sie sich mit Zähnen und Fingernägeln auf Franzis Rücken stürzen konnte, zappelte sie in der Luft.
Meresin schwebte mit leichtem Flügelschlag über ihr, das Haar der Buckligen in seiner Faust und schwenkte sie wie eine Fahne hin und her. Ihr weißes Kleid flatterte, die schrillen Schreie des Weibes halten von den Wänden der Kapelle wider.
„Agreas!“, kreischte sie verzweifelt. „Hilf mir!“
Aber der Dämon rührte sich nicht. Er erkannte, dass es nicht der geeignete Moment war, um es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen. Noch war es nicht soweit. Meresin hatte mit seinem Eingreifen jedoch bewiesen, dass Franzi ihm nicht gleichgültig war. Sie allein war sein wunder Punkt, seine Achillesferse. Mit ihr konnte man ihn in einem günstigen Moment in die Knie zwingen. Agreas würde abwarten müssen.
Scheinbar teilnahmslos beobachtete er, wie Meresin die Tochter der Hebamme gegen die Wand der Kapelle schleuderte. Dabei fiel eine der Fackeln zu Boden und entzündete das Stroh, mit dem man den kalten Steinboden bedeckt hatte.
Agreas lachte schallend. Ausgerechnet Meresin selbst gab das Zeichen zum Angriff. Er, der friedfertige Engel, der an allem etwas auszusetzen hatte. Es spielte überhaupt keine Rolle, dass es nicht absichtlich geschah.
Hieronymus unterbrach den Gesang und rief mit lauter Stimme die Versammelten zur Ruhe auf. Als das Feuer gelöscht war, wurde es totenstill im Gotteshaus. Man hörte nur noch das Schnaufen
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