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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Becca Fitzpatrick
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aber von dem düsteren Flur aus, in dem ich stand, hörte es sich Welten entfernt an. Ich war allein, frei zu tun, was mir beliebte.
    An der dritten Tür links blieb ich stehen. Ich holte tief Luft und klopfte an, aber an dem dunklen Fenster in der Türe war zu erkennen, dass das Zimmer leer war. Ich drückte gegen die Tür. Sie ließ sich nur widerwillig bewegen, öffnete sich aber schließlich quietschend zu einem Raum mit abgewetzten Fliesen. Einen Moment lang stand ich in der Tür und hoffte, die Schwester würde auftauchen, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als meine Eisenpillen eintragen zu lassen und wieder zu verschwinden. Ein rascher Blick in den Flur zeigte mir eine Tür mit Fenster, auf dem ›Schülerakten‹ stand. Auch dahinter war es dunkel.
    Ich konzentrierte mich auf einen Gedanken, der mir schon die ganze Zeit im Hinterkopf herumspukte. Patch hatte ja behauptet, er sei letztes Jahr gar nicht zur Schule gegangen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er gelogen hatte, aber wenn nicht, hätte er dann überhaupt eine Akte? Zumindest musste er ja eine Adresse haben, überlegte ich. Und einen Impfpass und die Noten des letzten Semesters. Trotzdem. Ein Schulverweis erschien mir ein sehr hoher Preis für einen Blick auf Patchs Impfpass.
    Mit einer Schulter lehnte ich mich gegen die Wand und sah auf die Uhr. Vee hatte mir gesagt, ich solle auf ihr Zeichen warten. Sie hatte gesagt, es würde offensichtlich sein.
    Fantastisch.

    Das Telefon vorne im Sekretariat klingelte wieder, und die Sekretärin nahm ab.
    Ich nagte an der Unterlippe und warf einen zweiten verstohlenen Blick zu der Tür mit der Aufschrift ›Schülerakten‹. Höchstwahrscheinlich war sie sowieso abgeschlossen. Schülerakten wurden vermutlich als hochwichtig eingestuft. Ganz unabhängig davon, welche Ablenkung Vee organisieren wollte, ich würde nicht hineingehen, wenn die Tür abgeschlossen war.
    Ich hängte meinen Rucksack auf die andere Schulter. Eine weitere Minute verstrich. Ich sagte mir, dass ich vielleicht lieber gehen sollte …
    Andererseits, wenn Vee recht hatte und er mich tatsächlich verfolgte? Als mein Bio-Partner könnte mich regelmäßiger Kontakt mit ihm in Gefahr bringen. Ich hatte doch die Pflicht, mich zu schützen … oder etwa nicht?
    Wenn die Tür nicht abgeschlossen wäre und die Akten in alphabetischer Reihenfolge abgelegt waren, dann würde es ganz leicht sein, Patchs schnell herauszusuchen. Ein paar Sekunden mehr, um seine Akten nach roten Fähnchen durchzusehen, und ich war wahrscheinlich innerhalb von einer Minute wieder draußen. Was so kurz war, dass es sich womöglich so anfühlen würde, als sei ich überhaupt nicht reingegangen.
    Vorne im Sekretariat war es ungewöhnlich ruhig geworden. Plötzlich bog Vee um die Ecke. Sie war an die Wand gedrückt und schlich zu mir. Die Hände an der Wand, warf sie immer wieder hektische Blicke über ihre Schulter nach hinten, wie die Spione in den alten Filmen.
    »Alles unter Kontrolle«, flüsterte sie.
    »Was ist mit der Sekretärin?«
    »Musste mal kurz weg.«
    »Musste? Du hast sie aber nicht außer Gefecht gesetzt, oder?«

    »Diesmal nicht.«
    Dank Gott für die kleinen Gnaden.
    »Ich habe von dem Münztelefon draußen aus eine Bombendrohung losgelassen«, sagte Vee. »Die Sekretärin hat die Polizei gerufen und ist dann losgerannt, um den Direktor zu suchen.«
    »Vee!«
    Sie tippte mit dem Finger aufs Handgelenk. »Die Zeit ist knapp. Wir wollen doch nicht mehr hier drin sein, wenn die Cops kommen.«
    Ach was.
    Vee und ich musterten die Tür zum Archiv.
    »Mach mal Platz«, sagte Vee und schubste mich mit der Hüfte beiseite.
    Sie zog den Ärmel über die Faust und bohrte sie ins Fenster. Nichts geschah.
    »Das war nur zum Üben«, sagte sie. Als sie zu einem richtigen Schlag ausholte, packte ich sie am Arm.
    »Vielleicht ist ja gar nicht abgeschlossen.« Ich drehte den Türknauf, und die Tür schwang auf.
    »Wie langweilig«, sagte Vee.
    Ansichtssache.
    »Du gehst rein«, ordnete Vee an. »Ich passe auf. Wenn alles gut geht, treffen wir uns in einer Stunde. Komm in das mexikanische Restaurant an der Ecke Drake und Beech.« Gebückt schlich sie durch den Flur zurück.
    Ich stand halb drin, halb draußen vor dem schmalen Raum, dessen Wände von Aktenschränken gesäumt waren. Bevor mein Gewissen es mir wieder ausreden konnte, trat ich ein und schloss die Tür hinter mir, indem ich meinen Rücken dagegenpresste.
    Mit einem tiefen Seufzer setzte ich meinen Rucksack

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