Engel Der Nacht
bestellen wir noch alkoholfreie Erdbeer-Daiquiries.«
Vee hatte recht. Diese Diät war wirklich leicht einzuhalten.
»Bin gleich zurück«, sagte sie, während sie sich aus der Nische wand. »Dieser monatliche Besuch. Danach will ich einen Bericht.«
Während ich auf sie wartete, wurde meine Aufmerksamkeit von dem Jungen angezogen, der ein paar Tische weiter Geschirr abräumte. Irgendetwas an seiner Art, sich zu bewegen, und wie sein Hemd über den Bogen seines wohldefinierten Rückens fiel, kam mir seltsam bekannt vor. Als
hätte er gemerkt, dass er beobachtet wurde, richtete er sich plötzlich auf und drehte sich um. Sein Blick traf meinen in exakt demselben Moment, in dem ich erkannte, was mir so bekannt vorkam an diesem besonderen Küchenjungen.
Patch.
Nicht zu fassen. Ich wollte mich schon mit der Stirn auf den Tisch fallen lassen, als mir wieder einfiel, dass er ja erzählt hatte, dass er im Borderline arbeitete.
Er wischte sich die Hände an seiner Schürze ab und kam herüber, wobei er mein Unbehagen offensichtlich genoss, während ich mich nach einem geeigneten Fluchtweg umschaute. Allerdings konnte ich nirgendwo hin, außer noch tiefer in die Nische hineinzurutschen.
»So was«, sagte er. »Fünf Tage die Woche in meiner Gesellschaft reichen dir wohl nicht? Musst du mich auch noch abends sehen?«
»Ich entschuldige mich für dieses unglückliche Zusammentreffen.«
Er setzte sich auf Vees Platz. Als er seine Arme auf den Tisch legte, waren sie so lang, dass sie bis in meine Hälfte der Tischplatte reichten. Er griff nach meinem Glas und drehte es in seinen Händen.
»Hier sind schon alle Plätze besetzt«, sagte ich. Als er nicht antwortete, nahm ich mir mein Glas zurück und trank einen Schluck Wasser, wobei ich aus Versehen einen Eiswürfel verschluckte. Er brannte den ganzen Weg bis in den Magen. »Solltest du nicht lieber arbeiten, statt mit den Gästen rumzuhängen?«, würgte ich.
Er lächelte. »Hast du Samstagabend schon was vor?«
Ich schnaubte. Unabsichtlich. »Fragst du mich, ob ich mit dir ausgehe?«
»Du wirst übermütig. Das gefällt mir, Engelchen.«
»Mir ist egal, was dir gefällt. Ich werde nicht mit dir ausgehen.
Nicht zu einem Date. Nicht allein.« Dafür, dass mich ein heißer Schauer überlief, weil ich darüber nachdachte, was ein Abend alleine mit Patch wohl so alles mit sich bringen würde, hätte ich mich ohrfeigen können. Sehr wahrscheinlich hatte er das nicht einmal so gemeint. Sehr wahrscheinlich zog er mich nur auf, aus Gründen, die nur er selbst kannte. »Warte mal, hast du mich gerade Engelchen genannt?«, fragte ich.
»Und wenn?«
»Das gefällt mir nicht.«
Patch grinste. »Es bleibt dabei. Engelchen.«
Er beugte sich über den Tisch, hob eine Hand an mein Gesicht und fuhr mit einem Daumen an einem meiner Mundwinkel entlang. Ich riss den Kopf zurück, zu spät.
Er zerrieb etwas Lipgloss zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ohne siehst du besser aus.«
Ich versuchte, mich daran zu erinnern, worüber wir gesprochen hatten, aber noch viel mehr bemühte ich mich, so zu tun, als ob mich seine Berührung vollkommen kalt gelassen hätte. Ich warf mein Haar zurück und versuchte, an unser Gespräch anzuknüpfen. »Ist ja auch egal, ich darf an Schultagen sowieso nicht ausgehen.«
»Zu dumm. An der Küste steigt eine Party. Ich dachte, wir könnten da hingehen.« Er hörte sich tatsächlich an, als meinte er es ernst.
Ich wurde einfach nicht schlau aus ihm. Ganz und gar nicht. Der heiße Schauer von eben saß mir immer noch im Nacken, und ich nahm einen langen Zug durch meinen Strohhalm, um meine Gefühle mit einem Schuss Eiswasser abzukühlen. Zeit alleine mit Patch zu verbringen würde faszinierend und gefährlich sein. Wie gefährlich, wusste ich nicht genau, aber in diesem Fall vertraute ich meinem Instinkt.
Ich tat, als würde ich gähnen. »Nun, wie ich schon sagte, es ist ein Schultag.« Mehr um mich zu überzeugen als ihn, fügte ich hinzu: »Wenn du diese Party so toll findest, dann kann ich fast dafür garantieren, dass bei mir das Gegenteil der Fall sein wird.«
So, dachte ich. Fall abgeschlossen.
Und dann, ohne irgendeine Vorwarnung, sagte ich: »Wieso hast du mich überhaupt gefragt?«
Bis zu diesem Augenblick hatte ich mir immer eingeredet, dass es mir egal war, was Patch über mich dachte. Aber mit einem Mal wusste ich, dass das eine Lüge war. Auch auf die Gefahr hin, dass es noch schlimme Folgen für mich haben könnte, war ich neugierig
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