Engel des Todes
wollte, daß er auf ganz herkömmliche Weise Terrangelis schreiben und lesen lernte, und nicht mit irgendwelchen vorübergehend implantierten Synapsen-Adaptern oder Nächten unter Lernkappen und ähnlichen Methoden. Er wollte das, um die Auffassungsgabe des Jungen zu prüfen.
Insgeheim verdächtigte er die Dwingolangowars nämlich einer überdurchschnittlichen Intelligenz, die sie, wenn es Vorteile für sie brachte, hinter Dorftrottelgehabe verbargen.
»Und jetzt lies vor, Rüsselheimer«, flötete der Kugler. Im Sichtfeld neben der Tafel erschienen einfache Worte: Ja, so, oh, wo, da und ähnliches. Rüsselheimer las; ziemlich flott sogar.
DuBonheur hatte den Jungen als Siebenjährigen in sein Haus aufgenommen. Das war vier Jahre her. Inzwischen sprach er Terrangelis, die allgemeine Verkehrssprache der GRT, fließend. Der Häuptling einer Rotte, die auf dem Markt von New Cheyenne regelmäßig Früchte verkaufte, hatte mit Rüsselheimer einen Satz Messer bezahlt. Angeblich sei seine Horde auf See ums Leben gekommen. Man fragte in solchen Fällen lieber nicht so genau nach. Die Eingeborenen von Fat Wyoming standen unter strengem Artenschutz, und solange ihre Vergehen keinem Bürger der GRT schadeten, unterlagen sie auch nicht allen Paragraphen des republikanischen Strafgesetzkodex.
»Kommandeur an Höchstgeehrten«, tönte es aus dem Bordfunk. Der junge Dwingolangowar sah sich erschrocken um. Seine Ohren hoben, sein Rüssel streckte sich.
»Keine Angst, mein Kleiner«, beruhigte ihn der Kugler. »Die Stimme kommt aus einem akustischen Empfangsmodul, der Sprecher befindet sich eine halbe astronomische Einheit von uns entfernt auf einem Schweren Kreuzer namens CHEYENNE …«
Der Dwingolangowarjunge sah verblüfft auf seinen Lehrer hinunter. Der Kugler war kaum halb so groß wie er.
»Guten Morgen, Oberst Kühn. Gibt es Neuigkeiten?« DuBonheur stemmte seine 207 Kilogramm vom Polster und stand auf.
»Leider ja, Höchstgeehrter. Es sind schon wieder Schiffe auf unserer Route aufgetaucht. Mehrere Personen wünschen eine Audienz bei Ihnen. Ich schlage vor, ihre Anfragen zu ignorieren und einfach zu springen.«
»O nein, Oberst! Das wäre doch unhöflich! Stellen Sie sich nur vor, welche Strapazen diese Menschen auf sich genommen haben, nur um mir zu gratulieren! Nein, nein! Mögen Sie an Bord kommen. In etwa einer halben Stunde bin ich bereit, Besuch zu empfangen.«
»Wie Sie wünschen, Höchstgeehrter.«
So ging das seit dem zweiten Tag der Reise. Frachter, galaktische Kreuzfahrtschiffe, Privatraumer, sogar Forschungsschiffe warteten auf der offiziellen Route nach Terra Prima; an den Koordinatenpunkten, an denen ein Zivilraumer gemäß der Flugroutenverordnung des Direktoriums nach einem Sprung wieder im Normaluniversum aufzutauchen hatte. Menschen, die ihm gratulieren, die ihn sehen, die ein Autogramm von ihm wollten. Sechs Schiffe hatten sich inzwischen sogar dem Verband angeschlossen und wollten DuBonheur bis zur Grenze des Sol-Systems begleiten. Auch hatte er feste Sprechzeiten eingerichtet – vormittags von 10.00 bis 12.00 Uhr TPZ und nachmittags von 16.00 bis 18.00 Uhr TPZ.
Hinter DuBonheur begann Trevor Gorges zu schimpfen. Offenbar hatten die Zwillinge sich gegen ihn verbündet. Strohblonde und rotgesichtige Kraftpakete übrigens, einen halben Zentner schwerer noch als DuBonheur selbst. Sie hießen Alban und Urban; der Kunsthirnexperte konnte sie nicht auseinanderhalten. Niemand konnte das. Abgesehen von Robotern, die ihre I-Ziffern anzupeilen in der Lage waren.
»›Terra Prima‹ heißt der Mutterplanet der Menschheit«, erklärte der Kugler seinem Schüler. »Manche sagen auch ›Erde‹ oder ›verbotener Planet‹.« Er schrieb Erde an die weiße Kunstglastafel neben dem Sichtfeld. Der Junge malte die Buchstaben nach.
Er machte Fortschritte, fand DuBonheur. Das sollte er auch, denn bis die galaktische Karawane ihr Ziel erreicht hatte – in zwanzig Terratagen etwa – mußte er einigermaßen lesen und schreiben können. Der Junge war als Präsent für den P.O.L. gedacht. Auf Terra Prima wüßte man lebendige Geschenke zu schätzen, hatte der Wissenschaftler gehört. Wem der Junge den lächerlichen Namen zu verdanken hatte, wußte DuBonheur bis heute nicht. Vielleicht sollte er es einfach dem Regenten überlassen, ihn umzutaufen.
Trotz seiner zarten Jugend war der Dwingolangowar schon hundertdreiundachtzig Zentimeter hoch und wog zweiundneunzig Kilogramm. Ein ausgewachsenes männliches Exemplar
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