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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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von Max' Buick. Officer Neelys blau-weißer Polizeiwagen begleitete uns mit hübschem Blaulicht.

In Sicherheit
    Ich schlief auf der Fahrt zu Max' Haus in Evanston. Der Anblick des Durcheinanders in meiner Wohnung hatte meinem Gedächtnis nicht auf die Sprünge geholfen, sondern in mir nur den Wunsch geweckt, ganz weit weg zu sein. Officer Neely hatte ein Team von der Spurensicherung geholt, in der Hoffnung, ein paar Fingerabdrücke der Schläger zu finden, doch das interessierte mich nicht. Ich überließ Mary Louise Neely der Obhut von Mr. Contreras' und den Hunden.
    Bevor wir gingen, wählte ich noch einmal Conrads Nummer. Er war immer noch nicht zu Hause. Vielleicht war er gleich zu seiner Mutter gefahren, aber ich erinnerte mich nicht an ihre Nummer, die nicht im Telefonbuch stand, und mein Adreßbuch konnte ich nicht finden. Entweder es lag unter den Stapeln von Büchern und Papier im Wohnzimmer, oder die Falken hatten es mitgenommen. Neely erklärte sich bereit, Mrs. Rawlings' Nummer von Terry Finchley zu erfragen und Conrad dort anzurufen. Beim Anblick der ordentlich aufgeräumten, eleganten Wohnung von Max entspannte ich mich ein bißchen. Ich schlürfte Fruchtsaft in der Küche und spürte, wie der Schmerz in meinem Kopf allmählich nachließ. Meine Arme und meine Hüfte taten weiterhin weh; morgen würden sie steif sein. Doch das wichtigste war der Kopf. Wenn der wieder halbwegs in Ordnung war, konnte ich morgen wenigstens etwas tun. Lotty prüfte meine Augen und meine Reflexe. Als sie sich vergewissert hatte, daß ich auf dem Weg der Besserung war, fragte sie mich, ob mir im Zusammenhang mit dem Überfall noch etwas einfiel, was ich der Polizei nicht gesagt hatte. »Ich bin wegen des Mordes an Deirdre zwischen Jasper Heccomb und Fabian Messenger hin- und hergerissen. Außerdem hoffe ich auf irgendwelche Einfälle zu Emily. Heute morgen auf der Baustelle hat jemand auf mich geschossen, aber ich glaube nicht, daß der Typ vor mir in meiner Wohnung sein konnte. Ich verstehe bloß nicht, warum ich noch am Leben bin.« Ich versuchte, das so entspannt wie möglich zu sagen, aber meine Hände verrieten mich, denn sie zitterten so sehr, daß ich einen Teil des Fruchtsafts verschüttete.
    »Jemand hat auf dich geschossen?« Lotty erschauderte. »Hast du das schon Conrad gesagt? Oder der Beamtin - wie hieß sie doch gleich, Neely? - aus dem Krankenhaus?« Ich schüttelte den Kopf - langsam, damit er mir nicht so weh tat. »Durch den Schlag hatte ich das ganz vergessen - es ist passiert, kurz bevor ich nach Hause gekommen bin. Wer außer einem Bauunternehmer hätte wohl die Kaltschnäuzigkeit für einen solchen Uberfall?«
    Lotty lächelte gezwungen. »Allmählich beginne ich, deine Methoden zu begreifen, Victoria: Wenn man Verletzungen rein klinisch betrachtet, kann man eine gewisse Distanz wahren. Ich versuche es mal genauso wie du. Home Free ist mit Sicherheit nicht in den Mord an Deirdre verwickelt: Wieso sollte ein Anwalt, der sich mit der Unterbringung von Obdachlosen beschäftigt, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin umbringen?«
    Ich versuchte, mit den Achseln zu zucken. »Noch vor zwei Tagen hätte ich dir zugestimmt. Aber Jasper Heccomb bewahrt eine Menge Bargeld in seinem Büro auf - ich schätze, um die fünf Millionen Dollar. Vielleicht hat Deirdre die gesehen und gedroht, ihn beim Finanzamt zu verpfeifen.«
    »Fünf Millionen in bar?« Max war inzwischen wieder in die Küche zurückgekommen. »Vielleicht bezahlt er seine Arbeiter bar, um sich die Lohnsteuer zu sparen. Aber du solltest jetzt lieber ein bißchen schlafen, statt dir darüber Gedanken zu machen.« »Er hat keine Mitarbeiter im engeren Sinn, nur eine Assistentin und einen Lobbyisten...« Einen Lobbyisten. Vielleicht war das ganze Geld dazu bestimmt, Beamte zu bestechen, damit sie etwas für die Obdachlosen taten - was, war nicht so ganz klar. Lotty zwang mich aufzustehen. Weil mir wieder schwindelig wurde, hielt ich mich an einem Stuhl fest. Natürlich mußte Jasper auch die Leute bezahlen, die die Projekte für Home Free bauten - möglicherweise tauchten die nicht in den Büchern auf. Insbesondere dann, wenn sie nicht Englisch sprachen und auch keine Möglichkeit hatten nachzufragen, was da eigentlich vor sich ging. Als Max mich den Flur entlang begleitete, vorbei an Mingvasen und Tangstatuen, fragte ich ihn, welche Sprache wohl wie eine verfälschte Form von Spanisch oder Italienisch klingen könnte. »Sardisch«, meinte er. »Oder

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