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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Rumänisch.«
    Natürlich, Rumänisch. Arbeiter aus den alten Warschauer-Pakt-Staaten überschwemmten gegenwärtig die amerikanischen Baustellen. Ich hätte wissen sollen, daß es Rumänisch sein mußte.
    »Du kannst die Sprache nicht zufällig, oder?« fragte ich ihn.
    »Ein paar Brocken. Die Mutter meines Vaters kam aus Sathmar, und ich habe als Junge mit ihr rumänisch gesprochen. Warum?«
    Ich erklärte ihm, was ich auf der Baustelle von Home Free gesehen hatte. »Ich würde gern noch mal hingehen, wenn Anton grade nicht da ist, um zu hören, ob sich die Männer über das, was sie tun, unterhalten. Ich verstehe nicht, warum um die Baustellen ein solches Geheimnis gemacht wird, aber Jasper Heccomb gibt sich größte Mühe zu verhindern, daß ich eine zu Gesicht bekomme.«
    Lotty, die hinter uns stand, gab mir einen Schubs zwischen die Schulterblätter. »Vic, ab ins Bett jetzt. Ich gehe mal davon aus, daß du dir nicht absichtlich eines über den Schädel hast geben lassen, aber wenn du klug bist, überläßt du die Sache jetzt Conrad.« »Wenn ich ihn finden kann«, murmelte ich und ließ mich von ihr zum Bett führen. Sie half mir beim Ausziehen und hängte meine Kleidung in einen Intarsienschrank. »Möchtest du den Blazer aufheben? Der linke Ärmel ist ganz zerrissen.« Ich betrachtete den zerfetzten Stoff mit einem traurigen Blick. Wahrscheinlich war er zerrissen, als ich auf der Baustelle über die Steine gestolpert war. Die Jacke gehörte zu meinen Lieblingsstücken. Vielleicht konnte der schlaue Schneider, der Gabriella immer die Kleider als Bezahlung für die Klavierstunden seiner Tochter genäht hatte, den Blazer noch retten. Er war mittlerweile fast siebzig, schneiderte mir aber immer noch etwas, wenn ich was Besonderes wollte.
    Bevor ich mich ins Bett legte, begutachtete ich den Schaden, den ich selbst genommen hatte. Der Facetteschliff des Spiegels reflektierte meine blauen Flecke n größer, als sie eigentlich waren. Ich drehte mich zur Seite, konnte aber die Beule an meinem Kopf nicht sehen. Die Stelle tat immer noch weh, war jedoch offenbar nur noch so groß wie eine Pflaume. Ich zog ein Pyjamaoberteil von Max über meine mit Klebeband fixierten Rippen und stieg ins Bett.
    »Man sieht kaum was«, versicherte Lotty mir und zog mir die Decke bis zum Kinn. »Ich glaube, du wirst nicht mal ein blaues Auge davontragen - so schlimm war der Schlag auch wieder nicht. Jetzt ist es sechs. Ich wecke dich um zehn, bloß zur Sicherheit, aber ich glaube, daß alles in Ordnung ist.«
    Um halb elf zwang sie mich, mit steifen Beinen wieder in die Küche hinunterzugehen, Apfelsaft zu trinken und einen Marmeladentoast zu essen. Conrad hatte um acht angerufen. Er war mit seinen Nichten im Kino gewesen, deshalb hatte ihn niemand erreichen können.
    »Er wollte herkommen, aber ich habe keine Veranlassung gesehen, weil du Ruhe brauchst und er sowieso nichts für dich tun kann. Ich habe ihm gesagt, du rufst ihn an, wenn du wach bist.«
    Ich ging an das Telefon in der Küche. Conrad hob nach dem ersten Klingeln ab. Da Lotty ihn schon ein bißchen beruhigt hatte, machte er sich inzwischen mehr Sorgen darüber, was ich wieder ausgeheckt hatte, als über meine Gesundheit.
    »Lotty meint, diesmal überlebst du's noch, aber sie weiß nicht, wie lange das so weitergehen soll. Was wollten sie denn unbedingt von dir haben, daß sie dafür deine Wohnung auf den Kopf stellen mußten? Sag mir die Wahrheit: Das ist kein Spiel mehr.«
    Als ich ihm keine Antwort gab, sagte Conrad: »Na komm schon, Ms. W. Du bist gestern nacht bei Jasper Heccomb eingestiegen. Was hast du da mitgehen lassen, daß er sich auf eine so gefährliche Sache einläßt?«
    »Ich hab' dir doch schon gesagt, daß ich eine ganze Schublade mit Geld gesehen habe, aber ich habe nichts davon mitgenommen. Habt ihr das übrigens nachgeprüft?« »Das konnten wir nicht - der Typ hat uns nicht informiert. Was hast du sonst noch gesehen?«
    »Nichts. Ehrenwort. Es sei denn, ich habe es verdrängt - aber ich leide nicht unter Gedächtnisverlust, abgesehen von dem Teil meines Lebens zwischen dem Überfall und dem Krankenhaus.« Wahrscheinlich würde ich mich nie mehr daran erinnern, daß ich das Bewußtsein wiedererlangt und die Stufen zu meiner Wohnung hinaufgegangen war, hatte Lotty mir erklärt.
    »Tja, wen hast du denn in letzter Zeit noch ausgeraubt?«
    »Nein ... ach.« Plötzlich fiel mir Senator Gantners Brief an Fabian ein. Ich hatte ihn auf dem Nachttisch

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