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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Haderer
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-Mitarbeiter auch mangels japanischer, koreanischer, russischer, italienischer, ungarischer und ähnlicher Sprachkenntnis nicht fertigwurden. Ein Flughafen überschwemmt, ein paar Brücken weg, ein paar Bäume auf den Gleisen und schon geht es zu wie vor dem Weltuntergang, murmelte Bergmann und drängte sich entnervt durch eine japanische Reisegruppe, die offensichtlich nicht glauben konnte, dass die Geburtsstadt von Mozart von neuzeitlichen Problemen behelligt werden konnte.
    Er querte den Südtiroler Platz und wählte auf der gegenüberliegenden Häuserzeile ein Lokal, das nach postjugoslawischen Spielsüchtigen und resignierten Langzeitarbeitslosen aussah. Verraucht, versifft, die Kellnerin ein Vorzeigeexemplar für das, was Schäfer Häuslratz nannte; die Ausgabe Frau, die imstande war, den letzten Faden reißen zu lassen, an dem die Heterosexualität eines Mannes noch hing. Wer sich hier hereinwagte, hatte die Schwellenangst zum Schattenreich überwunden; hier hausten Zombies in Kunstlederjacken, die Schmuggelzigaretten rauchten aus dem Kraut, das in mazedonischen Schlaglöchern wuchs. Ob hier wer im Grödinger Dialekt lallte oder auf Albanisch fluchte, war egal, weil die Sprache hier nur mehr ein rudimentäres Relikt aus einer verlebten Vorzeit war; das war die muffige Abstellkammer der Gesellschaft, der Vorhof zu Verhörraum oder Hölle; wessen Blick hier beizeiten den Fernseher über der Theke traf – weil er vom leeren Glas aufschaute und der launischen Matrone hinter der Bar ein müdes Zeichen zur Neubefüllung gab, oder weil er mehr Kleingeld für den Spielautomaten brauchte und zum Wechseln an die Theke trat –, der begegnete den Bildern von Erdrutschen, überfluteten Straßen und Menschen, die in Gummistiefeln vor ihren verwüsteten Einfamilienhäusern standen, mit Teilnahmslosigkeit oder stiller Häme, weil es endlich auch einmal die anderen traf; weil in der eigenen dumpfen Verzweiflung die Sehnsucht nach der Katastrophe eins der wenigen noch intakten Gefühle war. Und Bergmann genoss es.
    Die Tiere um ihn herum hatten den Polizisten gewittert; waren ein paar Sekunden unruhig gewesen, bevor sie sich wieder auf ihre karge Steppe niederließen. Die Kellnerin hatte ihm eine gute Minute Zeit gelassen, um es sich anders zu überlegen, dann war sie an seinen Tisch gekommen und hatte die Bestellung aufgenommen; einen Espresso – gibt nur Nescafé, weil die Maschine kaputt ist – und ein Mineral. Da saß er nun und glaubte es selbst nicht. Kurz vor Linz hatte er Kamp angerufen und ihm von seinem Vorhaben erzählt; der hatte nur Ja, ja, sehr gut gemurmelt und aufgelegt. Jetzt stand er auf und holte die einzige Tageszeitung, die am Ende der Bar lag, blätterte sie durch und fand wie zu erwarten drei Doppelseiten über das Hochwasser in Österreich und Europa, über die Schicksale der Opfer und ihrer Familien, aber nichts über einen möglichen Anschlag, dem es mit sieben Toten bei weitem nicht genug sein würde. Das war wohl der Unterschied zwischen ihm und Lorenz: Er, Bergmann, fand seine Arbeit in den Medien, glaubwürdig, weil auf die Vergangenheit bezogen, auf die Geschichte der Opfer und Täter. Das BVT dagegen: eine riesige Menschmaschine, die Bedrohungspotenziale errechnete, eine moderne Pythia, die nicht mehr auf einem dreibeinigen Hocker über den Dämpfen einer Erdspalte in Delphi hockte, sondern kettenrauchend auf einem zig Tetrabyte großen Berg an Daten, die sie in ihre Netzwerke und Analyseprogramme fütterte wie Brotkrumen an die Fische. Und Bergmann glaubte nicht an die Vorhersehbarkeit der Zukunft; das war etwas für Fantasten und Spinner, für Lottospieler, die sich jeden Sonntagabend ein Leben in einem Paralleluniversum voll Reichtum und Sinnesfreuden erwarteten. Der zahnlose Alte mit dem an der Oberlippe nikotingefärbten Bart, der im hinteren Winkel des Lokals sein Bierglas beschimpfte: dass der am nächsten Tag um die gleiche Zeit wieder hier wäre, war die einzige Form von Prophezeiungen, die Bergmann zuließ.
    Weil ihm das Aufklappen seines Laptops als vermeidbare Provokation erschien, benutzte Bergmann eine Applikation seines Handys, um die Zug- und Busverbindungen nach Kitzbühel zu erfragen. In zwei Minuten? Er sprang auf, nahm einen Fünfeuroschein aus der Geldtasche, legte ihn auf die Bar und lief aus dem Lokal zur Haltestelle am Bahnhofsvorplatz, wo er sich in die Warteschlange vor dem Bus nach Lofer stellte. Beim Kauf des Tickets machte ihn der Fahrer darauf aufmerksam, dass er

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