Engelsfluch
weiter in einer Parklücke, und Enrico verstaute seine Reisetasche im Kofferraum. Als er dem Fahrer das Ziel nennen wollte, klingelte dessen Handy. Ohne Enrico weiter zu beachten, sprach der Fahrer mit einer Frau namens Monica, und sein Lächeln, als er für den Abend eine Verabredung traf, sprach Bände. Enrico übte sich in Geduld und blickte zu dem schmalen Haus, aus dem er vor wenigen Minuten hinauskomplimentiert worden war. Er kam sich ein wenig ausgenutzt vor. Erst hatte er Alexander Rosin geduldig geantwortet, aber selbst war er kaum dazu gekommen, Fragen zu stellen. Er hätte von Alexander gern gehört, was der über Borgo San Pietro und den Einsiedler dachte. Aber irgendwie hatte der Schweizer es verstanden, seine eigenen Erklärungen sehr kurz zu halten. Nun gut, er war Journalist, und das gehörte vermutlich zu seinem Job. Während Enrico das Haus betrachtete, trat Alexander vor die Tür, ging mit schnellen Schritten zu einem am Straßenrand geparkten Wagen und stieg ein. Der hellgrüne Peugeot reihte sich in den fließenden Verkehr ein und fuhr an dem Taxi vorbei, ohne dass Alexander den Insassen einen Blick zuwarf. Er schien es wirklich eilig zu haben.
»Wohin, Signore?«, fragte der Taxifahrer, als er sein Telefonat beendet hatte.
Einer Eingebung folgend, zeigte Enrico auf Alexanders Wagen und sagte: »Folgen Sie dem grünen Peugeot!«
Der Taxifahrer lächelte gequält. »Das höre ich jeden Tag fünfmal. Und wohin möchten Sie wirklich?«
Enrico drückte ihm einen Fünfzigeuroschein in die Hand.
»Folgen Sie dem Wagen!«
Der Fahrer grinste. »Wir sind schon unterwegs.«
»Gut. Achten Sie bitte darauf, dass wir nicht bemerkt werden!«
»Wie im Kino? Ich werd’s versuchen.«
Der Taxifahrer stellte sich tatsächlich sehr geschickt an und hielt sich immer zwei, drei Fahrzeuge hinter dem Peugeot. Es wurde eine lange Fahrt, und nur mit einem Auge nahm Enrico von den römischen Altertümern Notiz, die sich mit moderneren Gebäuden abwechselten. Er musste an Borgo San Pietro denken und daran, wie er und Elena dem Bürgermeister heimlich zur Kirche gefolgt waren. Sie hatten ihn tot aufgefunden. Enrico hoffte, dass dies kein böses Omen für Alexander Rosin war.
Die dichte Bebauung der Stadt nahm ab, immer mehr Grün zeigte sich links und rechts einer geraden Straße, die über zum Teil recht buckeliges Pflaster führte. Platanen überschatteten die Fahrbahn, und große Villen versteckten sich hinter Büschen und Bäumen.
»Wo sind wir hier?«, fragte Enrico.
»Auf der Via Appia«, antwortete der Taxifahrer. »Das sieht nach einer längeren Fahrt aus. Kann sein, dass Sie mit dem Fünfziger nicht hinkommen.«
»Ich zahle den Fahrpreis, egal wie hoch. Und wenn Sie den Peugeot nicht verlieren und wir nicht entdeckt werden, gibt es das Doppelte!«
»Sagen Sie das doch gleich!«, kam es fröhlich vom Fahrer, bevor er zum Funkgerät griff und seiner Zentrale mitteilte, dass er eine längere Fuhre außerhalb der Stadt hatte. Enrico hoffte, die Taxikosten irgendwie dem »Messaggero di Roma«
unterjubeln zu können. Hin und wieder teilte der Fahrer ihm mit, wo sie sich befanden. Bald zeichnete sich ab, dass die Fahrt hinauf in die Berge ging.
»Schöne Orte gibt es da, die einen Besuch lohnen«, erzählte der Fahrer im Ton eines Fremdenführers. »Darunter auch Castel Gandolfo, wo der Papst seinen Sommersitz hat.«
Eine Zeit lang sah es so aus, als sei Castel Gandolfo tatsächlich Alexanders Ziel. Wollte er zum Papst? Aber auf Enricos Nachfrage sagte der Fahrer, der Papst halte sich gegenwärtig im Vatikan auf. »Und da gehört er auch hin in einer stürmischen Zeit wie dieser!«
Als sich die Straße gabelte, fuhr Alexander nicht nach rechts, wo Castel Gandolfo lag. Er wählte den Weg zur Linken, und Enrico las auf den Straßenschildern ihm unbekannte Ortsnamen wie Pascolaro, Monte Crescenzo, Villini und Marino. Aber Alexander blieb auf der Schnellstraße, die kleinen Ortschaften schienen ihn nicht zu interessieren. Erst bei Marino bog er ab, und das Taxi folgte ihm auch hier. Der Ort schien Alexanders Ziel zu sein.
»Was wissen Sie über dieses Marino?«, fragte Enrico.
»Nicht viel«, gestand der Taxifahrer. »In Rom kenne ich mich besser aus. In Marino stellen sie einen guten, schweren Weißwein her. Übernächsten Sonntag ist dort Weinfest. Wenn Sie noch etwas länger in Rom sind, können Sie dann aus dem Brunnen auf der großen Piazza den Wein trinken. Vielleicht komme ich auch.«
Das war
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