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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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explodierten. Einige der Ordenssoldaten, die
sich in der Nähe des Zauns aufhielten, wurden durch
die Luft gewirbelt. Splitter flogen durch die Nacht
und durchschlugen klirrend die Scheiben der geparkten Fahrzeuge.
»Phase drei: Rauch!«
Nun schossen die GIS-Männer Rauchgranaten ab,
und binnen Sekunden legte sich ein schützender
Rauchvorhang vor die Carabinieri.
»Phase vier: Zugriff!«
Priolettas Männer stürmten vor, durchdrangen den
Rauchschleier und feuerten mit ihren BerettaMaschinenpistolen auf jeden, der Widerstand leistete
oder auch nur den Anschein erweckte, das vorzuhaben.
Alexander und Donati legten ihre Schutzmasken an
und folgten den Carabinieri durch den Rauchschleier.
Trotz seiner Behinderung gelang es Donati, den Anschluß nicht zu verlieren. Zehn Jahre mit der Prothese
hatten ihn gelehrt, sich so effektiv wie möglich zu bewegen, auch wenn sein ungleichmäßiger Schritt immer
auffiel.
Jenseits des Rauchvorhangs sah Alexander, daß die
Carabinieri die Oberhand gewonnen hatten. Nur
noch vereinzelt flackerte Widerstand auf, und die vordersten GIS-Männer machten sich bereit, in die Höhle
einzudringen, die, wie sie von Elena und den beiden
anderen Flüchtlingen wußten, zum sogenannten
Tempel der Ahnen führte.
57
Im Tempel der Ahnen

S
ieh mich an und erkenne, daß ich nicht böse bin!
    Das war jetzt eine andere Stimme in Enricos
Kopf. Ebenso deutlich wie die, die ihm Trost zugesprochen hatte. Die neue Stimme drängte, aber es war
ein sanftes Drängen, fast einschmeichelnd.
    Wie unter Zwang hob Enrico, der noch am Boden
lag, den Kopf und blickte zu dem Schlund, der, eben
noch dunkel, jetzt von einem weißen, klaren Licht erhellt wurde. In diesem Licht erkannte er eine schlanke
Gestalt mit einem ebenmäßigen, milde lächelnden Gesicht.
    Sie sah aus wie die Statue eines jungen Mannes, geschaffen von einem Bildhauer, der in seinem Streben
nach Makellosigkeit etwas zu weit gegangen war.
Nein, kein Mann, sondern ein Engel, korrigierte Enrico sich, als er die silbrig glänzenden Flügel bemerkte.
    Die Gestalt im Licht war keine Statue, sondern etwas Lebendiges. Sie hob den rechten Arm und winkte
Enrico mit einer fließenden Bewegung zu sich heran.
Er stand auf und schwankte, fühlte sich seltsam
schwach. Ihm war, als flösse die Lebenskraft aus ihm
heraus. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen
und bewegte sich auf das Licht zu. Nur unterschwellig registrierte er, daß sein Fuß nicht mehr schmerzte.
    Plötzlich packte eine Hand seinen rechten Unterschenkel und hielt ihn fest. Enrico sah hinunter und
blickte in das besorgte Gesicht seines am Boden kauernden Vaters.
    »Du darfst nicht weitergehen, Enrico! Luzifer darf
keine Gewalt über dich erlangen!«
Enrico hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Die vielen Stimmen in seinem Kopf, die lauter
und lauter schrien! Und diese seltsame Kraftlosigkeit,
die von Sekunde zu Sekunde zunahm.
»Wieso Luzifer?« fragte er matt. »Ist es nicht Uriel,
der zu mir spricht?«
»Uriel?« Entsetzen malte sich auf dem Gesicht seines Vaters. »Welches Bild gaukelt der Dämon dir vor,
Enrico? Sieh doch hin! Erkennst du nicht seine
schreckliche Gestalt?«
Enrico blickte zu dem makellosen Engel, der aus
weißem, strahlendem Licht zu bestehen schien. Je länger er ihn ansah, desto stärker veränderten sich Gestalt und Gesicht, und aus dem reinen Licht wurden
wild lodernde Flammen.
Das Engelsfeuer!
Narben, wie von zahlreichen Kämpfen, bedeckten
den eben noch glatten Leib. Die Hände mit den schlanken Fingern verwandelten sich in Klauen. Aus den gefiederten Flügeln wurden lederne Schwingen, ähnlich
den künstlichen, die Tommasio und sein Sohn trugen.
Das ebenmäßige Gesicht verformte sich, wies plötzlich Verwerfungen und Beulen auf, wurde zu einer
Fratze, so grauenhaft, daß Enrico sich abwandte. Aber
nun wußte er, daß er dem Bösen ins Antlitz geschaut
hatte.
Mit dieser Erkenntnis stand auch alles andere wieder deutlich vor ihm. Er erinnerte sich an das, was vor
zwei Jahrtausenden an diesem Ort geschehen war.
Damals hatte Larth versucht, mit Larthis und Vels
Hilfe das Engelsfeuer zu entfachen. Larthi und Vel
hatten so getan, als ließen sie sich auf seinen Plan ein.
Aber in dem Augenblick, als das Licht sich über dem
Schlund manifestierte und feste Gestalt annehmen
wollte, hatten sie ihre ganz Kraft darauf gerichtet,
Larth in Flammen aufgehen zu lassen, so wie Larth es
mit seinem Vater getan hatte. Larth hatte Feuer gefangen, und

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