Engelsfuerst
unwillkürlich.
»Dirigente Donati, ich wußte nicht, daß Sie diesen
Fall persönlich …«
»Schon gut«, beendete Donati das unbeholfene Gestammel. »Sie müssen meine Anwesenheit hier auch
nicht an die große Glocke hängen, wenn Sie verstehen,
was ich meine, Brigadiere.«
»Jawohl, zu Befehl«, antwortete der Carabiniere
wie auf Knopfdruck.
Alexander bezweifelte, daß der Polizist Donati
wirklich verstanden hatte. Doch er wischte den Gedanken beiseite und ließ den Peugeot über das Gelände rollen, bis die im Wind flatternden Absperrbänder
eine Weiterfahrt unmöglich machten.
Sie stiegen aus, und augenblicklich stand Alexander
mit dem linken Fuß bis zum Knöchel in einer Pfütze.
Schmatzend floß das unangenehm kalte Schlammwasser in seinen Schuh, und er stieß einen Fluch aus.
»Man muß aufpassen, wo man hintritt«, erscholl eine weibliche Stimme aus der Richtung des Klosters.
»Hier gibt es mehr Pfützen als trockene Stellen.«
Hinter den Absperrbändern stand unter einem bunten Schirm eine junge Frau mit hübschem Gesicht und
kurzen blonden Haaren.
Mit ihrer weitgeschnittenen Lederjacke, den schwarzen Jeans und kniehohen Gummistiefeln war sie für
diese Witterungsverhältnisse bestens gerüstet. Nur
kurz mußte Alexander überlegen, woher er sie kannte.
Sie war bei der römischen Polizei und hieß Micaela
Mancori. Donati hatte sie einmal als sehr talentiert bezeichnet.
»Micaela!« rief Donati ehrlich erfreut, während
Alexander und er durch eine Lücke in der Absperrung
traten. »Schön, Sie hier zu sehen. Ich wußte gar nicht,
daß Sie an dem Fall dran sind.«
»Zusammen mit Bazzini«, erwiderte die junge Polizistin. »Aber der hatte keine Lust, hier im Regen herumzustehen. Und da er Commissario ist, ich aber nur
Vice Commissario bin, habe ich keinen Einspruch erhoben. Was führt Sie zu mir, Dirigente Donati?«
»Stelvio, bitte! So haben Sie mich auch genannt, als
wir noch gemeinsam böse Buben gejagt haben.«
»Da waren Sie auch noch kein Dirigente Superiore,
Stelvio«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Was
führt Sie her, der ermordete Geistliche oder die Frau,
die Kollege Bazzini für die Mörderin hält?«
»Das eine hängt doch mit dem anderen zusammen«,
sagte Donati. »Sie teilen Bazzinis Einschätzung, was
Elena Vida angeht, nicht?«
»Ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen,
daß eine Vatikanjournalistin mitten in stürmischer
Nacht hier herauskommt, um den stellvertretenden
Leiter der Vatikanbank zu ermorden. Signor Rosin
wird das besser wissen, aber meiner Vorstellung
nach lebt ein Vatikanjournalist davon, daß er über
Männer wie Monsignore Picardi schreibt oder ihnen
Informationen abluchst, nicht aber davon, daß er sie
umbringt.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Donati. »Aber könnte
es sich nicht um eine Tat handeln, die Elena Vida im
Affekt oder vielleicht gar in Notwehr begangen hat?«
»Zum jetzigen Zeitpunkt läßt sich nur sagen, daß es
sich um alles mögliche handeln kann. Wir wissen noch
zu wenig.«
»Wir haben vorhin mit Elena gesprochen«, ergriff
Alexander das Wort. »Sie sagte etwas von zwei Unbekannten, die ihr hier aufgelauert und sie verfolgt haben. Gibt es keine Spuren von diesen Männern?«
Mit einer ausladenden Bewegung wies Micaela
Mancori auf die Polizisten, die das Klostergelände absuchten. »Bis jetzt suchen wir noch erfolglos danach.
Die Sintflut der vergangenen Nacht hat leider nicht
viel übriggelassen.«
Sie führte Alexander und Donati in das alte Gemäuer, zu jenem Raum, in dem der tote Picardi und
die bewußtlose Elena gefunden worden waren.
Auch dort suchten Spezialisten der Spurensicherung, in weiße Plastikanzüge gekleidet, emsig nach
möglichen Hinweisen.
»Wie sieht’s aus, Kollegen, schon etwas gefunden?«
fragte Donati.
Einer der Weißgekleideten blickte auf. »Ein paar
Blutspuren und zwei, drei Kleiderfasern. Die Untersuchung im Labor wird hoffentlich Genaueres ergeben.«
Alexander sah sich in dem Raum um und blickte
dann den langen Gang hinunter, durch den sie gekommen waren. »Was auch immer hier passiert ist, ein
von Elena planvoll ausgeführter Mord war es nicht.«
»Da sind wir einer Meinung«, sagte Micaela. »Aber
worauf wollen Sie hinaus?«
»Diese Klosterruine ist – noch dazu nachts und bei
dem Unwetter gestern – abgelegen genug, um jemanden unbemerkt zu töten. Da muß man sein Opfer
nicht noch durch die halbe Abtei in diesen finsteren
Raum locken. Plausibler erscheint mir da Elenas Erklärung, daß sie vor ihren
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