Engelsfuerst
einäschern können«, fuhr Spadone fort. »Als man Mandume fand, war
dies alles, was von ihm übrig war.«
»Er ist verbrannt? Warum war dann von einem
Herzschlag die Rede?«
»Weil wir nicht die Öffentlichkeit beunruhigen und
dadurch unsere Ermittlungen gefährden wollten.«
Spadone seufzte kurz. »Leider muß ich gestehen, daß
wir bis heute keine weiterführenden Erkenntnisse
über Mandumes Tod gewinnen konnten.«
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Alexander den unscheinbaren Aschehaufen.
»Was genau ist geschehen?«
»Mandume saß spätabends noch in seinem Büro, so
spät, daß er irgendwann seinen Sekretär ins Bett
schickte. Als der am nächsten Morgen zurückkam,
fand er alles unverändert vor. Der Gebäudetrakt war
nicht abgeschlossen, und im Büro des Kardinals
brannte noch Licht. Der Sekretär dachte zunächst, sein
Chef hätte die Nacht durchgearbeitet und säße noch
am Schreibtisch. Als auf sein Klopfen und seine Rufe
hin alles still blieb, betrat der Sekretär das Büro. Statt
Mandume fand er vor dessen Schreibtisch nur diesen
Haufen Asche. Wir haben die Asche sofort analysieren
lassen, es handelt sich zweifelsfrei um die Überreste
von Kardinal Mandume.«
Alexander, der Spadones Ausführungen mit wachsendem Erstaunen gelauscht hatte, fragte: »Und niemand hier im Vatikan hat das nächtliche Feuer bemerkt? Wer hat den Brand gelöscht?«
»Sie verstehen nicht, Signor Rosin. Es hat keinen
Brand gegeben. In Mandumes Büro fand sich nicht
der geringste Hinweis auf ein Feuer, nicht einmal ein
winziger Brandfleck im Teppich.«
Alexander schüttelte den Kopf. »Warum sollte jemand Kardinal Mandume aus seinem Büro verschleppen, ihn irgendwo – wo auch immer – verbrennen und
dann die Asche zurück in das Büro bringen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn und wäre – rein logistisch gesehen – kaum zu bewerkstelligen!«
Spadone klatschte in die Hände. »Ganz recht, Signor Rosin, deshalb glaube ich auch nicht, daß es so
gewesen ist. Die ganze Aktion wäre sehr aufwendig
gewesen und die Gefahr für den Täter, dabei entdeckt
zu werden, extrem groß. Meiner Meinung nach ist
Kardinal Mandume in seinem Büro verbrannt, ob
durch Fremdeinwirkung oder nicht, das bleibt noch
zu klären.«
»Sprechen wir jetzt über Selbstentzündung?« fragte
Alexander zweifelnd.
»Selbstentzündung oder Selbstverbrennung, ganz
recht.« Spadone schlug eine rote Plastikmappe auf, die
vor ihm auf dem Tisch lag, und sein Blick glitt über
die Unterlagen. »Schon seit Jahrhunderten sind Vorfälle dieser Art bekannt. Ein gewisser Dr. Cat veröffentlichte bereits 1731 in Frankreich ein ganzes Buch
zum Thema. Sechs Jahre vorher war er mit dem Fall
eines Gastwirts aus Reims befaßt gewesen, der wegen
Mordes an seiner Frau angeklagt war. Man hatte die
Frau gänzlich verbrannt aufgefunden. Dr. Cat konnte
das Gericht davon überzeugen, daß die Frau sich
selbst verbrannt hatte. 1888 gab es in Großbritannien
den Fall eines alten Soldaten, festgehalten im British
Medical Journal, den man zu Asche verbrannt in seiner Scheune auffand. Von ihm waren immerhin noch
die Knochen übrig.« Spadone blätterte weiter. »Oder
hier. 1966 verbrannte ein über neunzigjähriger Arzt in
dem nordamerikanischen Ort Coudersport. Man fand
von ihm nur die Asche und einen Hausschuh, aber es
gab keine weitergehenden Spuren eines Feuers. Letzteres trifft auf fast alle Fälle der Selbstverbrennung zu.
Es gab höchstens mal eine angekokelte Stelle auf dem
Fußboden, aber nichts, was mit den enormen Temperaturen in Einklang zu bringen wäre, die für die
Verbrennung eines Menschen erforderlich sind.«
»Ehrlich gesagt kenne ich mich mit den diesbezüglichen physikalischen Voraussetzungen nicht so gut
aus«, sagte Alexander, und es war deutlich zu hören,
wie zweifelhaft ihm die Geschichte vorkam.
Spadone warf einen kurzen Blick auf einen der Zettel und erläuterte: »In einem Krematorium benötigt
man eine Durchschnittstemperatur von eintausendvierhundert Grad Celsius, um einen Menschen in einen Haufen Asche zu verwandeln. Selbst dann kann
es mehrere Stunden dauern. Bei den überlieferten Fällen der sogenannten Selbstverbrennung lassen die
Aussagen von Zeugen oft nur einen Zeitraum von wenigen Minuten zu.«
»Was folgern Sie daraus, Signor Spadone?« fragte
Alexander mit leisem Unwillen. »Geht seit Jahrhunderten etwas um, das Menschen in Flammen setzt und
jetzt hier, mitten im Vatikan, zugeschlagen hat?«
»Ich habe Ihnen nur
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