Engelsgesang
ist freiwillig. Noch kannst du dich umentscheiden und einfach gehen.“
„Nein, ich will es wirklich“, antwortete Ángel mit fester Stimme. „Kann ich vielleicht noch was zu trinken haben … vorher.“
„Was willst du? Cola? Wasser?“
„Etwas Alkoholisches?“
„Tut mir leid, Ángel, dieses Mal möchte ich, dass du es ohne zusätzliche Stimulanzen schaffst. Ich bewege mich hier sowieso schon an der Grenze zur Illegalität. Ich möchte gute Fotos machen, aber nicht irgendwann vor Gericht stehen. Du schaffst das auch so, da bin ich mir sicher.“
In ihr Gesicht trat ein fast fürsorglicher Ausdruck, der hier völlig fehl zu sein schien. Dann griff sie nach seinem T-Shirt und zog es ihm mit einer fließenden Bewegung über den Kopf. Auf Ángels Körper breitete sich sofort eine Gänsehaut aus, und er musste den Wunsch unterdrücken, die Arme vor seiner Brust zu verschränken.
„Nimmst du bitte dieses Ding ab“, Valerie wies auf das Kreuz, das auf seiner Brust hing.
„Nein“, entgegnete Ángel mit überraschend fester Stimme. „Entweder wir machen die Fotos mit der Kette oder gar nicht.“
Erstaunt sah Valerie ihn an, dann lächelte sie. „Okay, wie du willst. Dann fangen wir mal an. Lehn dich dort an die Wand und schließ deine Augen.“
Einen Moment musterte Ángel ihr Gesicht, folgte dann aber ihrer Aufforderung. Er hatte sich hierfür entschieden, und er würde ihr vertrauen. Langsame sinnliche Musik erklang aus versteckten Lautsprechern und erfüllte den Raum.
„Verlangsame deinen Atem und sende ihn tief in deinen Körper. Nichts ist jetzt wichtig, außer dir selbst. Fühl dich wohl“, flüsterte sie. „Nichts wird dich stören, du kannst tun, was dir gefällt.“ Valerie redete sanft mit ihm. Immer wieder machte sie Pausen, die Ángel die Möglichkeit gaben, in sich hineinzuhorchen. Langsam entspannte sich sein Gesicht, während er tat, was sie von ihm wollte. Sein Rücken und Hinterkopf lehnten an der weißen Wand. Die Augen hielt er geschlossen.
„Lege deine Hand auf dein Herz. Spüre diese warme Berührung. Streiche über deine Haut und tu dir selbst etwas Gutes. Ja, genau so.“ Die Geräusche der Kamera wurden von dem Klangteppich der Musik fast verschluckt.
„Ich will, dass du dir jetzt eine Person vorstellst, egal, ob real oder aus deiner Fantasie. Jemanden, von dem du nachts, wenn du allein bist, träumst. Die Hand, die dich berührt, ist die Hand dieser Person. Spürst du sie?“
Ángel fühlte sich wieder in die Dunkelheit des Kinos zurückversetzt. Eine fremde Hand erforschte seinen Körper und er nahm wahr, wie dieser mit zögernder Erregung reagierte.
„Gut“, flüsterte Valerie. „Man flüstert dir geile Dinge ins Ohr und du darfst Dinge tun, die du magst. Alles kannst du tun. Hier und heute gibt es keine Grenzen.“
Valeries Stimme schmeichelte und führte Ángel noch tiefer in seine Traumwelt hinein. Es fiel ihm leichter, als er geglaubt hatte. Nur er wusste, was in seinem Kopf vorging. Er konnte sich seinen Fantasien völlig hingeben. Es war sein Traum. Und er konnte hier erleben, was sich in der Realität nie erfüllen würde … Manchmal nachts, in Wolfgangs Zimmer, hatte er schon davon geträumt ... Das Bild eines jungen Mannes mit langen Haaren nahm in seinen Gedanken Gestalt an. Er griff in die weiche Fülle schwarzen Haars. Blaue Augen blickten in sein Innerstes, und in ihm baute sich eine Anspannung auf, die bald die Schleusen durchbrechen würde. Die Erregung wuchs in ihm, so wie die Gezeiten den Strand vereinnahmten, unvermeidlich und erbarmungslos.
Ángel drehte sich zur Wand und drückte seine Wange an die kalte Fläche. Er wollte nicht, dass Valerie ihm mitten ins Gesicht sehen konnte. Ganz fern, in einem versteckten Winkel seines Gehirns, war er sich noch ihrer Gegenwart bewusst. Doch in seinem Universum war er allein mit einem Menschen, den er eigentlich nie wieder hatte sehen wollen ... Er hörte sich keuchen, heiser und atemlos, während er die Lider fest zusammenpresste. Seine Hand bewegte sich schnell und steuerte ihn auf den erlösenden Höhepunkt zu.
„Warte“, flüsterte Valerie und schaffte es damit, sein Tempo zu verlangsamen. Geschickt begann sie seine Fantasie zu lenken.
Er hatte ihr schon einige exquisite Fotos geliefert, doch sie hätte gern noch ein paar mehr. Vielleicht konnte sie ihn dazu bringen, es auszudehnen. Dieser Junge war sowieso ein absoluter Glücksgriff. Sie hatte gewusst, dass er fotogen war, doch das, was er ihr
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