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Engelsgesang

Engelsgesang

Titel: Engelsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.A. Urban
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säuberlich in der Ecke zusammengelegt war.
    War es denn von Belang, dass er nicht genau das anbieten konnte was den anderen auszeichnete? Reichte das, was ER Ángel geben konnte nicht aus? Waren die Anteilnahme, Fürsorge und Liebe, die er ihm bieten konnte, denn gar nichts wert? Könnte daraus mit der Zeit nicht auch etwas Größeres wachsen?
    Er war selbst schuld, schimpfte er, er hatte Ángel noch nie gezeigt, geschweige denn gesagt, dass er mehr für ihn fühlte als für einen normalen Freund. Er hatte sich nicht getraut. Was war, wenn es nun zu spät war? Wozu brauchte man denn so jemanden wie ihn: eifersüchtig, Besitzergreifend, und zu guter Letzt zu feige, alle Fakten auf den Tisch zu legen.
    Er musste es Ángel sagen. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, was und vor allem mit wem Ángel jetzt Dinge tat, die doch er mit ihm hatte tun wollen. Er hatte ihn in der Vergangenheit an seinem Erfahrungsschatz teilhaben lassen. Aber er hatte auch derjenige sein wollen, der ihn in die Geheimnisse der Zweisamkeit einführte. Er begehrte ihn doch mit seinem ganzen Herzen und mit einem schmerzhaft brennenden Teil seiner Seele.
    Ob es jetzt schon zu spät war?
    Vielleicht hatte er ihn ja schon verloren. An jemand anderen, der schneller und vor allem unverkrampfter war als er selbst.
    Nein, das durfte nicht sein. Er würde ihm sagen, was er wirklich für ihn empfand. Schon bald. Genau. Sobald er ihn wieder sah … Wenn er ihn wieder sah … Er hatte keine Ahnung, wann das sein würde. Ángel war verärgert gewesen und hatte nur vage Andeutungen darüber gemacht …
    Wolfgang strich sich über den Kopf und bemerkte in seiner Versunkenheit nicht, dass seine Fingernägel rote Striemen über seine Stirn und die spärlich behaarte Kopfhaut zogen. Die nächsten Tage würden sie ihn, immer dann, wenn er sein Spiegelbild sah, daran erinnern, dass er seine wahrscheinlich letzte Chance schon längst verpasst hatte …

40.
    40.
     
    „Das ist euer Ferienhaus?“
    Ángel staunte die sonnengelbe Villa, die wie ein Vogelnest an dem Felsen klebte, mit offenem Mund an. Er fühlte sich überwältigt.
    Schon die lange Fahrt in dem klimatisierten schnellen Sportwagen hatte ihn an einen ewig währenden Fiebertraum erinnert. Sie waren über die Autobahn, an Burganlagen, die auf hohen Felsen thronten, durch kilometerlange eintönige Tunnel und fremdartige sonnendurchflutete Landstriche gerast. Doch jetzt, wo er vor diesem gelben Miniaturschloss stand und den Blick über den glitzernden See schweifen ließ, fühlte er sich völlig überfordert. Er stützte sich auf die weiße Balustrade, die die Terrasse umfriedete und starrte auf die Segelboote und Jachten, die das Wasser unter ihm durchpflügten. Ihm schwindelte. Wenn er sich nicht hätte festhalten können, wäre er sicher über die Brüstung gestürzt. „Kneif mich mal! Ich glaub, ich träume.“
    Martin zuckte beiläufig mit der Schulter. „Das ist nicht mein Verschulden. Meine Eltern haben einfach einen seltsamen Sinn für Luxus. Sie zeigen gern, was sie haben.“
    Wie ein Fremdkörper wirkte Martin mit seiner dunklen Kleidung in dieser sonnigen Landschaft. Die hohen Temperaturen trieben ihm den Schweiß auf die Stirn. Unter seinen Augen hatten sich dunkle Schatten von verwischtem Kajal gebildet. Sie verliehen ihm das Aussehen eines übernächtigten Drogenabhängigen, das im krassen Gegensatz zu dem Lächeln stand, das schon die ganze Zeit auf seinem Gesicht lag.
    Ángel zögerte kurz, dann wies er mit seinen Zeigefinger auf Martins und dann auf seine eigenen Augen: „Du hast da … ähm … deine Schminke…“
    „Ja, ich weiß“, antwortete Martin lässig. „Italiens Hitze ist der Tod für jeden rechtschaffenen Gothic.“
    „Und wieso tust du das dann?“
    „Fassade … alles nur Fassade“, grinste Martin. „Soll ich es sein lassen? Für dich würde ich es vielleicht tun, auch wenn meine Freunde mich dann nicht mehr erkennen würden.“
    „Nein, es gefällt mir. Es macht dich so geheimnisvoll und unnahbar.“
    „Unnahbar? Soll ich dir schon wieder zeigen, wie unnahbar ich wirklich bin?“ Martin lachte leise auf. „Ich möchte dir was zeigen. Komm!“ Ohne sich umzusehen, lief er die Stufen zu einer erhöht liegenden Terrasse hinauf.
    Langsam, den Blick immer noch auf den See gerichtet, folgte ihm Ángel. Er war überwältigt. Immer wieder musste er stehen bleiben, um die Farben und Formen der fremden Umgebung in sich aufzusaugen. Nie hatte er geglaubt, so etwas zu

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