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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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eingeladen?“
    „Doch, natürlich. Von Emily. Sie wird schon auf mich warten.“
    „Und Sie sind ...?“
    „Violet Bardo. Meine Schwester heißt Emily Bardo.“
    Nicole zögerte. „Na gut“, sagte sie nach einigen Sekunden. „Kommen Sie mit.“
    Sie überquerten den Platz zwischen der Kapelle und dem Haupthaus und traten in ein dämmriges Atrium. Ein intensiver Geruch nach Möbelpolitur hing in der Luft, durchsetzt mit Räucherstäbchenaroma. Nicole schlüpfte hinter die marmorne Empfangstheke und tippte etwas am Computer, dann blickte sie auf.
    „Es tut mir leid, aber wir haben hier keine Emily Bardo.“
    „Sind Sie sicher?“
    „Sie ist nicht im System, also ist sie nicht hier.“
    „Das ist merkwürdig. Vielleicht hat sie einen falschen Namen angegeben?“ Entschuldigend hielt Violet ihr Handy hoch. „Ich kann sie leider nicht anrufen. Kein Empfang.“
    „Warum sollte sie das tun?“, fragte Nicole kühl.
    „Ach wissen Sie“, Violet wandte den Kopf, weil sie glaubte, eine Bewegung hinter sich wahrzunehmen, „meine Schwester ist eigen. Reist gern inkognito.“ Ein großes Gemälde von einer Kreuzigungsszene hing neben einer Holztreppe. Auf der anderen Seite begann ein Korridor. Doch da war niemand. „Emily ist ziemlich auffällig. Schwarze Locken, leuchtend blaue Augen. Klein und zierlich. Wie Schneewittchen.“
    Nicoles Gesicht wurde nicht freundlicher. Violet ahnte, dass das hier in eine Sackgasse führte. „Was ist das für ein Ort?“, fragte sie. „Ich dachte, es wäre ein Hotel.“
    „Nein“, wiederholte Nicole, „ist es nicht. Kommen Sie, ich bringe Sie zurück zum Tor.“
    „Das ist ein Mutterhaus.“ Marshalls Worte kamen abgehackt durch die Leitung.
    Violet fröstelte, als Wind ihr über den Nacken strich. Sie hatte fast die ganze Strecke zurück zum Highway fahren müssen, um wieder telefonieren zu können. Die Spitzen der Berge schimmerten purpurn und golden, von der Ebene dämmerte Schwärze herauf. Mit Einbruch der Nacht wurde es kalt.
    „Etherlight ist eine Art Scientology für die Freunde der Apokalypse. Die sind in den letzten Jahren recht populär geworden, predigen eine Mischung aus Weltuntergangslehre und christlichem Erlösungsideal.“
    Violet stieß sich von der Motorhaube ab. „Und was tun sie mitten in der Wüste?“
    „Keine Ahnung. Vielleicht suchen sie einen brennenden Dornbusch.“
    „Was?“ Sie umrundete den Wagen.
    „Sie werden demnächst einen brauchen.“ Marshall kicherte. „Sie kündigen vollmundig die Apokalypse an, und dieses Jahr wäre es dann so weit. Wenn sie nicht stattfindet, müssen sie sich eine gute Ausrede einfallen lassen.“
    „Mit diesem Mutterhaus stimmt etwas nicht.“ Violet betrachtete die Lichter, die in einigen Meilen Entfernung den Highway hinunterflossen. „Sie behaupten, Emily nicht zu kennen, aber das glaube ich nicht.“
    „Wegen ihres Handys?“
    „Was hätte sie sonst hier zu suchen?“
    „Vielleicht war sie auf dem Weg nach Vegas, und unterwegs ist der Akku ausgegangen?“
    Sie antwortete nicht gleich, weil sie glaubte, eine Bewegung in den Schatten wahrzunehmen. Ihr kam das Tier in den Sinn, das sie auf dem Weg nach Matavilya Crest gesehen hatte. Es gibt keine Hyänen in der Mojavewüste. Unwillkürlich richteten sich ihre Nackenhaare auf. Sie starrte eine Sekunde länger in die Dunkelheit, dann stieg sie ins Auto und verriegelte die Türen.
    „Ich muss mich da noch mal umschauen“, sagte sie.
    Kies spritzte unter ihren Reifen, als sie den Wagen wendete und holpernd auf die Piste zurückfuhr, die zum Hochplateau führte. Vor der letzten Kurve schaltete sie die Scheinwerfer aus. In der Ferne tauchte Matavilya Crest auf, eine Ansammlung von Lichtpunkten in der Nacht. Violet rollte näher, bis sie den Stacheldraht auf der Mauer erkannte. Dann verließ sie die Zufahrt, legte hundert Yards parallel zur Einfriedung zurück und blieb stehen. Jetzt hieß es warten. Sie stellte den Motor ab und schob ihren Sitz zurück, um es sich bequem zu machen.
    Kurz nach Mitternacht zog sie ihre Pistole aus dem Handschuhfach, eine Browning BDM, die sie sich nach dem DEA-Desaster gekauft hatte. Sie wog die Waffe in der Hand, unsicher, ob sie sie wirklich mitnehmen sollte. Das Ding war schwer und unbequem. Sie rechnete nicht damit, dass sie in die Verlegenheit kommen würde, sich ihren Weg freischießen zu müssen. Andererseits war da ein diffuses Unbehagen, das sie nicht ignorieren wollte. Schließlich folgte sie ihrem Bauchgefühl,

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