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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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stieg aus und schob die Browning in den Hosenbund.
    Alle fünfzig Yards tauchten Scheinwerfer die Mauer in kaltes Licht. Die Nacht war so still, dass sie das Knirschen der Steinchen unter ihren Schuhsohlen hörte. Kurz fragte sie sich, ob sie mit Hunden patrouillierten, dann wischte sie den Gedanken beiseite. Unwahrscheinlich, dass im Ordenshaus einer Kirche militärische Sicherheitsstandards herrschten, selbst wenn sie die Apokalypse predigten. Am Nachmittag hatte sie jedenfalls keine Wache gesehen.
    Gut zweihundert Yards vom Tor entfernt endete die Mauer an einer Kapelle. Sie blickte hoch zu einer Reihe von Fensterbögen. Die Wand war aus Adobeziegeln geschichtet, die Fugen weich und brüchig. Probeweise grub sie ihre Fußspitze in einen der Zwischenräume. Der Lehm knirschte, aber hielt ihr Gewicht. Gut. Sie stieß den Atem aus, packte einen Vorsprung und zog sich hoch.
    Als sie einige Minuten später das Fenstersims erreichte, überzog ein Schweißfilm ihr Gesicht. Erleichtert stellte sie fest, dass die Öffnungen nicht verglast waren. Ihre Finger tasteten durch eine dicke Schicht Staub, ein Ruck, und sie war oben. Auf der anderen Seite lag eine Holzempore, die sich um das Kirchenschiff zog. Violet fand eine Wendeltreppe neben dem Altar und stieg hinunter in die Haupthalle. Durch die Fenster fiel ein schwacher Lichtschein, der Kirchenbänke und ein massives Eingangsportal enthüllte. Ein Flügel gab nach, als sie dagegen drückte. Rasch schlüpfte sie nach draußen. Das Anwesen lag in tiefem Schlaf. Kein Geräusch störte die Nacht. Violet wartete ein paar Minuten, ohne dass etwas geschah, dann setzte sie sich in Bewegung. Gebückt überquerte sie die freie Fläche zwischen Kapelle und Haupthaus. Die Eingangstür war verschlossen, doch sie brauchte nur wenige Augenblicke, um das Schloss aufzubrechen, eine lächerlich simple Konstruktion. Zwei bläuliche Notlämpchen hoben die Konturen des Atriums aus dem Dunkel. Sie schlüpfte hinter die Marmortheke und erweckte den Computer zum Leben.
    „Passwort“, murmelte sie. „Klar.“
    Sie durchstöberte die Schubladen unter der Konsole, fand ein paar Haftnotizen, einen Quittungsblock, eine Stahlkassette, doch keinen Hinweis auf das Passwort. Frustriert ließ sie sich auf den Stuhl sinken. Ihr Knie stieß gegen ein lockeres Brett und verursachte ein Klappern, das sie zusammenzucken ließ.
    „Shit!“
    Sie tastete über die vorstehende Kante, fand einen Griff und zog daran. Eine schmale Schublade kam zum Vorschein. Darin lag eine großformatige Kladde mit einer Liste von Namen und Daten. Ein Gästebuch. Ihre Stimmung hob sich. Im spärlichen Licht des Monitors überflog sie die letzten Seiten und fand, was sie suchte. Emily Bardo, vierter November, das lag fünf Tage zurück. Daneben stand eine dreistellige Zahl, von der Violet hoffte, dass es eine Zimmernummer war.
    Zehn Minuten später verließ das Glück sie.
    Sie studierte die Zimmernummern in einem Seitenflügel des Hauses, als weiter vorn im Gang eine Tür aufflog. Geistesgegenwärtig presste sie sich an die Wand. Die Pistole drückte gegen ihr Rückgrat. Der Korridor war unbeleuchtet bis auf die winzigen LEDs unter den Türschildern, doch das konnte sich schlagartig ändern. Stimmen drangen zu ihr herüber, zwei oder drei Männer. Jemand lachte. Sie musste hier weg. Sofort.
    Mit einem Ruck löste sie sich von der Mauer, der Teppich schluckte ihre Schritte. Sie erreichte den Durchgang zu den Treppen, packte den Türrahmen und schwang sich ins Dunkel. Keine Sekunde zu früh, denn im gleichen Moment krachte die Tür weiter vorn ins Schloss. Das Herz hämmerte ihr in der Kehle. Die Stimmen näherten sich. Hier konnte sie unmöglich bleiben. Lichtschein aus dem oberen Geschoss leckte über die Stufen. Von unten quoll Dunkelheit herauf. Also nach unten.
    „... leer um diese Zeit.“ Sie hörte schwere Schritte. „Anderthalb Stunden bis Hollywood.“
    Ein Aufprall ließ sie zusammenzucken, metallisches Scheppern, ein lauter Fluch. „Pass doch auf!“ Jemand kicherte. „Scheiß Geländer!“
    Fromme Schwestern waren das jedenfalls nicht. Sie holte tief Atem und stieg weiter hinab, immer tiefer. Die Treppe mündete in einen stockfinsteren Absatz. Sie ertastete eine Feuertür und drückte dagegen, doch konnte sie nicht öffnen. Großartig.
    Die Männer weiter oben debattierten immer noch, auch wenn ihre Stimmen jetzt gedämpfter klangen. Die Stufen führten weiter nach unten. Warum hatte dieses Haus zwei

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