Engelsrache: Thriller
und seine Freundin zwei Tage mit Methamphetamin und Hydrocodon zugedröhnt, bis ihnen der Stoff irgendwann ausgegangen war. Seine Freundin war deshalb losgezogen, um Nachschub zu besorgen, und hatte das Kind in Randalls Obhut zurückgelassen. In ihrer Abwesenheit hatte der kleine Junge offenbar angefangen zu weinen. Daraufhin hatte Randall ihn zuerst als Aschenbecher benutzt und seine Zigaretten auf den Fußsohlen des Kindes ausgedrückt. Dann hatte er den Jungen oben auf einen glühend heißen Kerosinofen gelegt. Dabei hatte sich das Kind am Rücken schwere Verbrennungen zugezogen. Als das Baby immer noch nicht aufhörte zu schreien, hatte Randall es so heftig geschüttelt, dass im Kopf des Säuglings ein Gefäß geplatzt war.
Bei ihrer Rückkehr hatte Randalls Freundin gesehen, was ihr Liebster in ihrer Abwesenheit angerichtet hatte, und die Polizei gerufen. Auch sie selbst war sofort festgenommen worden.
Randall bestritt nicht, das Baby umgebracht zu haben, er behauptete nur, er könne sich nicht daran erinnern, dass er das Kind umgebracht hatte. Ich konnte lediglich auf verminderte Schuldfähigkeit plädieren und darauf verweisen, dass Randall infolge seines schweren Drogenrausches nicht gewusst hatte, was er tat. Mir war jedoch klar, dass diese Strategie nicht aufgehen würde. Sobald die Geschworenen die Fotos mit den Brandwunden an den Füßen und den Verbrennungen am Rücken des kleinen Jungen zu Gesicht bekommen würden, konnte Randall von Glück sagen, wenn er nicht im Gerichtssaal gelyncht wurde. Auch ich selbst hätte den Dreckskerl am liebsten umgebracht, als ich die Fotos zum ersten Mal gesehen hatte.
Die Vorverhandlung, die vor einem Gericht in Erwin stattgefunden hatte, lag inzwischen zwei Monate zurück. Die Beweisaufnahme war der reinste Horror gewesen. Seither hatte Deacon Baker viel Zeit darauf verwendet, sich in den örtlichen Medien darüber auszulassen, welches Schicksal ihm für Randall Finch vorschwebte: die Todesstrafe.
Nur dass Deacon es versäumt hatte, bei Gericht den entsprechenden Antrag fristgerecht einzureichen. Deshalb hatte ich beschlossen, ihn hereinzulegen. Ich erklärte Randall meinen Plan und riet ihm, sich bei der Anklageerhebung, seinem ersten Auftritt vor dem Strafgericht, schuldig zu bekennen. Einen solchen Schachzug hatte bis dahin meines Wissens noch nie jemand gewagt. Wie der Richter reagieren würde, stand in den Sternen. Allerdings wusste ich genau, dass mein kleiner Trick höchst verzwickte verfahrensrechtliche Fragen aufwerfen würde. Randall war einverstanden.
Die Verhandlung führte Richter Ivan Glass, eine herzliche Begrüßung erwartete ich also nicht. Glass litt seit einiger Zeit unter einer Infektion eines Beins. Deshalb stand er während der Verhandlungen meist unter dem Einfluss desselben Schmerzmittels, das auch Randall vor seinem brutalen Mord an dem Baby geschluckt hatte. Sollte das auch heute wieder der Fall sein, musste ich mich auf einige Unannehmlichkeiten gefasst machen.
Der Richter eröffnete die Verhandlung gegen zehn Uhr. Die Justizbeamten führten Randall zu seinem Platz, und Glass sah ihn von seiner Bank aus wütend an.
»Dann ist das also der Mann, der hier wegen der Ermordung eines Säuglings angeklagt ist?« Er sprach klar und artikuliert, und auch seine Augen waren weniger trüb als sonst.
»Ja, Euer Ehren«, sagte Deacon Baker, der draußen vor dem Gerichtssaal bereits mehrere Fernsehinterviews gegeben hatte.
»Bitte halten Sie im Protokoll fest, dass ich Mr Dillard zum Verteidiger des Angeklagten bestellt habe und dass Mr Dillard heute hier anwesend ist.« Ich hatte Glass, unmittelbar nachdem er mich zu Randalls Pflichtverteidiger bestellt hatte, darum gebeten, mich in Zukunft mit solchen Mandaten zu verschonen, da ich meine Tätigkeit als Strafverteidiger demnächst aufgeben wollte. Er hatte daraufhin bloß verächtlich geschnaubt und mir mitgeteilt, dass er auf meine Anwesenheit gut verzichten könne. Dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
»Außerdem erhält Mr Dillard natürlich eine Kopie der Anklageschrift. Sind Sie damit einverstanden, dass wir auf eine offizielle Verlesung der Anklage verzichten?«
»Ja, das sind wir, Herr Richter«, sagte ich.
»Bekennt sich Ihr Mandant schuldig oder unschuldig?«
»Er bekennt sich schuldig.«
»Umso besser. Dann kommen wir jetzt zum … Wie bitte? Was haben Sie da gerade gesagt, Mr Dillard?«
»Ich habe gesagt, dass Mr Flinch sich heute hier vor diesem Gericht schuldig bekennt.
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